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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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konzentrierte, die ihm so viel Anerkennung eingebracht hatte.
    Als er zufällig Andreas auf dem Campus traf, berichtete er ihm von seinen Abenteuern.
    »Du bist ja wahnsinnig«, lächelte der. »Na ja, ich glaube, ich wäre auch schwach geworden … Aber pass trotzdem auf, die können gar nicht anders, als zu plaudern, einfach aus Spaß an der Freude, aus Vergnügen an den
Fofocas
 … Klatsch ist hier fast eine Art Lebenskunst! Als könnten sie gar nicht anders miteinander kommunizieren. Ist ja auch ganz lustig. Das gibt den Beziehungen eine eigene Note … Du kannst Gift darauf nehmen, dass immer tausendmal Schlimmeres über dich erzählt wird, als du je tun würdest. Mit anderen Worten, du kannst anstellen, was du willst, solange du nicht mit der Frau des Rektors pennst. Und auch dabei müsstest du in flagranti ertappt werden!«
    Er legte ihm die Hand auf die Schulter:
    »Sag mal, kenne ich die Kleine?«
    »Sie ist ziemlich auffällig. Moéma von Soundso, ich weiß nicht mehr, der Name klingt deutsch.«
    »Moéma von Wogau?«
    »Ja, genau.« Roetgen war erstaunt. »Du kennst sie tatsächlich?«
    »Ich kenne ihren Vater, er ist ein alter Studienfreund. Journalist, Korrespondent in Alcântara. Ich habe ihm sogar meinen Papageien dort gelassen! Wenn seine Arbeit ihn hier in die Gegend führt, wohnt er bei mir. Er hatte mir übrigens Bescheid gesagt, dass seine Tochter nach Fortaleza an die Uni kommt, wahrscheinlich, damit ich ein Auge auf sie habe, aber das hatte ich ehrlich gesagt vollkommen vergessen.«
    »Warum studiert sie nicht in São Luís?«
    »Ihre Eltern sind dabei, sich scheiden zu lassen. Vielleicht ist es auch schon so weit. Offenbar kommen sie mit der Tochter nicht so gut zu Rande. Die Mutter ist Brasilianerin, Dozentin in Brasilia, macht sich gerade einen Namen in Paläontologie. Immer ein bisschen auf und ab … Sie hat ihn verlassen. Den Vater kann ich gut leiden, auch wenn er ziemlich unerträglich sein kann. Einer von denen, die ständig über die Welt und sich selbst nachgrübeln, aber nicht viel von Psychologie verstehen. Trotzdem, ein guter Kopf. Ich hab nie begriffen, warum er sich das Leben immer so schwermacht. Und wenn man dich so hört, ist die Tochter auch ganz schön verquer …«
    »Sieht ganz danach aus, ja …« Roetgen nickte.
    Mit diesem Urteil gewann er innerlich wieder Oberhand, fing aber zugleich an, Moéma ihr Faible für den Indio zu verzeihen. Dass sie »Probleme« hatte, ließ alles anders aussehen, und sie schien gleich weniger hemmungslos zu sein, sondern ein Kind, dem geholfen werden muss.
    Noch am selben Abend, nachdem er eine Weile unschlüssig in der kleinen Wohnung herumgetigert war, die er unterm Dach eines Neubaus gemietet hatte, beschloss Roetgen, Thaïs zu besuchen. Sie hatte ihm auf der Rückfahrt im Bus ihre Adresse gegeben. Seit Canoa waren jetzt drei Tage vergangen.
    Er wollte schon wieder gehen, nachdem er vergeblich an der kleinen Tür in der Avenida Bolivar geklopft hatte, da tauchte Thaïs’ Gesicht hinter dem Schnurvorhang im Türfenster auf.
    »Ach, du bist’s!«, sagte sie erfreut. »Momentchen, ich brauch nur ein paar Sekunden.«
    Roetgen bemerkte die roten Flecken auf ihren Wangen und dem Dekolleté. Offenbar hatte er sie mitten beim Vergnügen mit einer neuen Gespielin gestört. Sie schien sich ja schnell zu trösten, dachte er mit einer Prise Verachtung. Umso überraschter war er, als sie die Tür aufmachte, die üppige Figur in einen extravaganten Kimono mit buntem Blumenmuster gehüllt und gefolgt von einem sehr schlanken jungen Mann mit großem blondem Schnurrbart, dem seine spärliche Kleidung – Boxershorts, mehr nicht – absolut nicht peinlich zu sein schien.
    »Das ist Xavier.« Thaïs sprach das X portugiesisch als Zischlaut aus. »Er ist seit gestern hier. Du kannst Französisch mit ihm sprechen; wenn ich’s richtig verstanden habe, ist er mit einem Segelboot aus Toulon gekommen. Ich glaub, er bleibt ein paar Tage hier …«
    Beide grinsten ein bisschen dämlich. Das Zimmer stank nach Marihuana. Roetgen stellte sich unbefangen seinem Landsmann vor.
    »Und, was gibt’s Neues?« Thaïs rollte einen neuen Joint.
    »Nichts. Kurse, Uni, der alltägliche Kram …«
    Er blickte ihr in die Augen und fragte ganz direkt:
    »Hast du was von Moéma gehört?«
    Thaïs’ Gesicht verdunkelte sich:
    »Nichts. Die muss noch mit ihrem bescheuerten Indio in Canoa zugange sein … Nicht zu glauben, was sie uns da geboten hat!«
    Roetgen war

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