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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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das durch eine kreisförmige Öffnung, welche anzubringen die Schreiner ohne Mühe zur Regel erheben könnten, im Moment der Bestattung durch den Deckel des Sarges in dessen Inneres geschoben werden sollte. Oben, in jenem Teil, der aus der Erde herausragte, endete das Rohr in einem hermetisch abgeschlossenen Kästchen, das die Mechanik enthielt, deren geniale Einfachheit mein Meister mir mittels einer Querschnittszeichnung vorführte. Ein an einer höchst empfindlichen Feder befestigter Stab verlief durch das Rohr bis in den Sarg und endete dort in einer Blechkugel, welche direkt auf der Brust des Verstorbenen auflag. Vollführte dieser auch nur die kleinste Bewegung oder atmete auch nur ein klein wenig, bevor er noch zur Besinnung kam, schon löste die dadurch berührte Kugel den Mechanismus aus: Das Kästchen öffnete sich & ließ Luft & Licht in den Sarg strömen, zugleich entfaltete sich eine Flagge, lautes Klingeln ertönte, & eine Rakete stieg gen Himmel, wo sie mit lautem Knall explodierte & das Licht der Auferstehung über dem Friedhof erstrahlen ließ.
    Blieb das Kästchen zwei Wochen über geschlossen, eine Zeitspanne, nach der man die letzte Hoffnung fahrenlassen konnte, so ließ sich das Rohr leicht aus der Erde ziehen. Eine Klappe im Sargdeckel verschloss sodann automatisch die Öffnung, und das Grab war endgültig versiegelt. Nachdem die Vorrichtung desinfiziert war, zumindest die Teile, die mit der Leiche in Berührung gekommen waren, konnte sie sogleich bei einer weiteren Beerdigung verwendet werden.
    Ich bewunderte diese erneute Erfindung Kirchers höchlichst. Da sie zu geringen Kosten & kinderleicht herstellbar war, sollte es ein Einfaches sein, die Friedhöfe damit auszustatten & so irrtümliche Beerdigungen noch Lebender aufzudecken.
    Nun waren aber wie erwähnt in ganz Rom keine Särge mehr zu finden, doch Kardinal Barberini, über diese wunderbare Maschine in Kenntnis gesetzt, lieh uns vier der seinen, um sie zu erproben. Indem wir Tag & Nacht arbeiteten, gelang es uns, in weniger als einer Woche einige Rohre herzustellen, die hervorragend funktionierten und, ach, nur zu bald verwendet werden konnten. Sechs unserer Mitbrüder nämlich wurden von der Seuche dahingerafft, so rasch, dass man kaum dazu kam, sie zu betrauern. Zwei darunter, bei denen der Zustand des Körpers keinerlei Zweifel zuließ, wurden im Massengrab beigesetzt, die vier anderen auf dem Friedhof des Collegiums, & jeder dieser Särge wurde mit dem Rettungsrohr bestückt.
    In den ersten beiden Nächten geschah nichts, & als die dritte anbrach, gingen wir mit unbesorgten Gemütern zu Bette; unsere Brüder ruhten in Frieden. Gegen drei Uhr früh jedoch ließ ein lauter Knall uns hochschrecken. Athanasius begriff sogleich, worum es sich handelte, & stürzte im Nachthemd & nach Hilfe rufend die Treppe hinunter. Ebenso wie mehrere andere Patres folgte ich ihm.
    Wir erreichten den Friedhof fast zugleich, doch stand er schon an dem von der ausgeklappten Fahne bezeichneten Grabe, schwang die Hacke & rief dem, dessen Wiedererwachen den Lärm ausgelöst hatte, Worte der Ermutigung zu. Wir ergriffen anderes Werkzeug & machten uns daran, ihm bei der Befreiung des Unglücklichen zu helfen.
    Ich schippte mit meiner Schaufel, sosehr es meine Kräfte mir gestatteten, da starben wir fast vor Schreck, als ein langer Pfiff ertönte, gefolgt von einer Raketenexplosion, die die Nacht erleuchtete. Wenige Schritte neben uns war eine weitere Flagge ausgelöst worden! Die damit einhergehenden Geräusche schienen aus den Tiefen des Hades zu kommen … Diejenigen, die das Geschehen bislang nur beobachtet hatten, liefen eilig herbei & machten sich daran, den zweiten Sarg auszugraben.
    Während sie noch dabei waren, trieben eine dritte und fast gleichzeitig eine vierte Explosion unsere Erregung auf den Gipfel. Nun war das gesamte Collegium auf den Beinen. Die einen beteten laut, andere schrien ob des Wunders, & kein Friedhof hatte je ein solches Getöse von Glauben & Hoffnung erlebt. Da mehr Arme denn Werkzeuge vorhanden waren, gruben viele jetzt mit bloßen Händen; Anfeuerungsrufe mischten sich mit frommen Worten, & die in großer Zahl vom Bruder Pförtner entzündeten Fackeln tauchten die ungewöhnliche Szene in ein phantasmagorisches Licht.
    Da wir als Erste begonnen hatten, lag unser Sarg bald bloß; mit einem Stemmeisen machte Kircher sich daran, den Deckel aufzubrechen. Mit Fackeln drängten wir uns um ihn herum: Doch das Schauspiel,

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