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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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ich höre unermüdlich die Berichte von ihren Abenteuern …«

Mato Grosso
    In den toten Mund.
    Seit zwei Stunden waren sie nun mit den Indios auf dem von Yurupig gebahnten Pfad unterwegs. Elaine bemühte sich, mit Detlef im Gespräch zu bleiben, sie spürte, dass er sich wegen seines Fiebers sorgte, und wollte ihn beruhigen:
    »Es ist sicher bald geschafft. Die sind im Urwald zu Hause, mit ihnen kommen wir viel schneller voran als allein. Möglicherweise gibt es sogar eine Missionsstation in der Gegend …«
    Detlef verzog zweifelnd den Mund:
    »Dafür würde ich mir nicht die Hand abhacken lassen …« Er verstummte, erschrocken über den neuen Sinn der unbedacht gebrauchten Wendung. »Äh … vielleicht doch lieber nicht«, lächelte er verlegen. »Sagen wir es so: Ich könnte darauf wetten, dass diese Leute noch nie einen Weißen zu Gesicht bekommen haben …«
    »Das kann doch nicht sein … Nicht hier jedenfalls. Wie kommst du darauf?«
    »In den Reservaten und sogar im Dschungel sorgen die Missionare meist dafür, dass sie wenigstens kurze Hosen anziehen. Aber es ist ihr Verhalten, und die Art, wie sie uns ansehen … Hast du gesehen, wie sie die Machete angestarrt haben?«
    Das Argument bestürzte Elaine.
    »Meinst du, sie waren es, die den Rucksack gestohlen haben?«
    »Sehr gut möglich«, nickte Detlef. »Wahrscheinlich beobachten sie uns schon eine ganze Weile … Herman, haben Sie eine Ahnung, welchem Stamm sie angehören könnten?«
    Petersen schüttelte den Kopf:
    »Nicht die geringste, Amigo. Die ähneln keinen, die ich hier oder sonstwo in Amazonien gesehen habe. Wer weiß, wo die rausgekrochen sind, und wenn die schon mal einen Weißen gesehen haben, dann haben die das schon lang wieder vergessen …«
    »Also Ethnologen würden ein Vermögen darum geben, an unserer Stelle zu sein!«, sagte Mauro. »Und Ihre Tochter als Allererste, was?«
    »Ganz sicher.« Elaine sah ihn an. »Wer weiß, wie sie reagiert hätte … mir haben die so was von Angst eingejagt. Hast du die Münder gesehen?«
    »Sie kauen Tabak«, sagte Petersen. »Wie die meisten Wilden. Sogar die Kinder tun das schon.«
    »Jedenfalls scheinen sie zu wissen, wohin sie wollen«, sagte Mauro, »das ist doch schon mal was.«
    »Abwarten«, knurrte Herman. »Yurupigs Markierungen sind schon seit einer ganzen Zeit nicht mehr zu sehen.«
    Vor lauter Erleichterung über die unerwartete Hilfe hatte Elaine gar nicht mehr darauf geachtet. Jetzt wurde ihr ebenso wie Mauro und Detlef schlagartig klar, dass sie absolut nicht wussten, ob sie sich überhaupt noch in der gewünschten Richtung bewegten.
    »Und keine Ahnung, wie wir uns jetzt orientieren sollen.« Detlef war bestürzt.
    »Wir hätten den Kompass behalten sollen«, meinte Petersen vorwurfsvoll. »Die bringen uns sonstwohin, aber nicht zum Fluss!«
    »Sie sehen auch immer nur das Schlechte!«, sagte Mauro. »Es kann jedenfalls nicht schlimmer sein, als bevor sie kamen. Wenn sie wollten, hätten sie uns schon fünfmal umgebracht …«
    Diese Idee war Elaine nie gekommen, nicht einmal bei der ersten Begegnung mit den Indios. Jetzt aber, und vor allem, da Detlef Mauro beipflichtete und daran erinnerte, wie dringend die Indios ihnen die Trage abnehmen wollten, packte sie eine Angst, die sie nicht mehr loswurde.
    Den Indios schien ihr Gespräch gleichgültig; sie trabten rasch weiter, pflückten im Vorbeigehen ein Kraut oder sammelten eine Handvoll Raupen ein, die sie schmatzend und zufrieden rülpsend verzehrten.
    Eine ganze Weile lang war kein Wort mehr gefallen, als sie auf eine Lichtung gelangten. Rauch stieg aus einigen verstreut stehenden Hütten aus Palmblättern und Ästen. Kinder und Erwachsene erstarrten, als sie die Fremden erblickten; der Kautabak fiel ihnen fast aus dem offenstehenden Mund. Sie trauten ihren Augen nicht – was für seltsame Tiere hatten die Jäger da aus dem Dschungel angeschleppt? Gemurmel wurde laut, dann wandten auf ein kurzes, autoritäres Bellen hin alle den Kopf zu einer der Hütten, auf deren Schwelle ein dürrer, sehr alter Mann erschien. Ein Federszepter in der Rechten, den Tabakpriem zwischen Unterlippe und Zähnen, schritt er würdevoll auf sie zu und trat an die Trage, von den Kriegern umringt. Unvermittelt zog er an Detlefs Bart, wie um sich zu vergewissern, dass er auch echt war, und trat mit allen Anzeichen der Zufriedenheit zurück: Seine Späher hatten also nicht gelogen, der Gesandte Gottes war da, wie sein Vater es ihm angekündigt,

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