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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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dieser es in sein Buch aufnehme; & dies war ja tatsächlich die beste Garantie, ihre Beobachtungen einer möglichst großen Zahl von Menschen zugänglich zu machen.
    Als Erstes erfuhren wir aus Gruebers Mund vom Tode unseres lieben Michał Boym, was meinen Meister mehr betrübte, als ich zu sagen vermöchte …
    Pater Boym war 1656 von Lissabon aufgebrochen und hatte ein Jahr später Goa erreicht. Aus verschiedenen Gründen in dieser Stadt aufgehalten, sodann noch von den Holländern belagert, war er erst 1658 ins Königreich Siam gelangt. In Macao dann, von wo er die für die christlich getaufte chinesische Kaiserin Helena und den kaiserlichen Minister Peng Achilles Briefe von Papst Alexander  VII . weiterzubringen hoffte, verweigerten ihm die portugiesischen Behörden die Rückkehr nach China aus Angst, die Tartaren könnten sie für die Taufe büßen lassen. Entschlossen, allen Unbilden zu trotzen & seine Mission zu erfüllen, fuhr Boym, von dem frisch getauften Xiao Cheng begleitet, auf einer Dschunke nach Tonkin, von wo er heimlich nach China gelangen zu können hoffte. Nachdem sie Führer aufgetrieben hatten, die ihnen über die Grenze helfen sollten, gelangten die beiden Männer im Jahre 1659 endlich über die Provinz Quanxi wieder in dieses himmlische Kaiserreich – wenn auch leider nur, um sämtliche Weiterwege von der tartarischen Armee blockiert zu finden. Hier gab es kein Weiterkommen, und so beschloss Boym, nach Tonkin zurückzukehren und eine andere Route zu versuchen, doch verweigerte der Gouverneur jenes Landes ihm dazu die Erlaubnis. Nun saß Boym im Dschungel, wo er sich von den Tartaren verbarg, in der Falle. Hier wurde er vom Gelbfieber befallen & nach grässlichen Leiden zu Gott dem Herrn heimgerufen. Der treue Xiao Cheng begrub ihn am Wegesrande zusammen mit den Sendschreiben, für welche dieser Unglückliche sein Leben hingegeben hatte, setzte ein Kreuz auf das Grab und floh durchs Gebirge. Ein Jahr später gelangte er nach Kanton, wo sich Grueber gerade auf der Durchreise aufhielt, & berichtete ihm vom traurigen Ende des hervorragenden Mannes.
    Kircher ließ zum Gedenken an seinen Freund eine Messe lesen, bei welcher Gelegenheit er selbst in der Predigt Boyms zahlreiche Werke zur Botanik erwähnte & den Blick auf die menschlichen Qualitäten dieses Mannes lenkte, der bereits als Märtyrer des Glaubens gelten durfte.
    Die Betrachtungen der Schwierigkeiten, auf die Boym in China gestoßen war, machten eine kurze Darstellung der politischen Situation in diesem Lande notwendig. Pater Roth erledigte das in aller Kürze, ohne dass dadurch seine viel weiter reichenden Kenntnisse der Materie bezweifelt werden konnten. Hier sei nur daran erinnert, dass der christlich getaufte Erbe der Ming-Kaiser, sein Sohn Konstantin & sämtliche Glaubensbrüder, darunter der Eunuch und kaiserliche Minister Peng Achilles, im Jahre 1661 von den tartarischen Armeen unter Wu San-Kuei dahingemetzelt wurden, und zwar in der Provinz Yünnan, wo sie Zuflucht gesucht hatten. Seit 1655 hatte der tartarische Kaiser Sun-Xi, Begründer der Ching-Dynastie, erfolgreich versucht, seine Macht in China auszuweiten, das er nunmehr endlich zur Gänze erobert hatte. Als aufgeklärter Herrscher, als Beschützer der chinesischen Künste & Wissenschaften hatte er den Frieden wiederhergestellt & herrschte weise über ein Volk, das seiner Rasse durchaus nicht gewogen war. Vom Angreifer hatte er sich zum Verteidiger Chinas gewandelt, & was die Kirche anbelangte, hofierte er mehr als jeder Monarch vor ihm unsere jesuitischen Missionare, was in Fragen der Ausbreitung des Glaubens in jenen fernen Landen zu den schönsten Hoffnungen Anlass gab.
    Grueber dämpfte diese Blütenträume allerdings.
    »Was mich besonders betrübte«, sagte er, »und zwar während wir mit einem holländischen Schiff einen Fluss hinaufreisten, war, wie schonungslos die Tartaren die Chinesen behandelten, welche unser Fahrzeug zogen. Ursprung dieser Grausamkeit ist ein tiefverwurzelter Hass zwischen beiden Nationen. Überhaupt – der Hass als solcher hat doch nur Böses, Kaltes, Zerstörerisches & Schädliches an sich; immer brütet er irgendwelche Schlangeneier aus, die zu allerlei Katastrophen führen, & er begnügt sich nicht damit, sein Gift an einem bestimmten Ort & zu gewissen Zeiten zu versprühen, sondern tobt sich bis ans Ende der Welt & in alle Ewigkeit aus. Was uns lehrt, dass es schwierig ist, mittels Herrschaft dafür zu sorgen, dass ein

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