Wo Tiger zu Hause sind
Mensch geliebt wird, ebenso wie wenn man vorgibt, mit Kanonen eine Freundschaft begründen zu wollen. Man höre mir bloß auf mit Nero, mit Caligula, Tiberius & Scylla oder anderen römischen Kaisern; man komme mir nicht länger mit den Skythen, Etruskern & anderen Völkern, die sich ihrer Grausamkeiten rühmten! Ich sage, und das ist die reine Wahrheit, dass ich nichts Grausameres gesehen habe als die tückischen Tartaren gegenüber ihren elenden Gefangen. Sie müssen kein Herz in der Brust haben, sondern Ambosse, so wie sie das schreckliche Ächzen belachten, ja sogar das Sterben & den Tod jener armen Chinesen, die sie mit Hunger, Schlägen & Arbeit zugrunde richteten. Ihr, Pater Athanasius, würdet sagen, diese Menschen bestünden aus sämtlichen Folterinstrumenten oder seien Dämonen, die sich in dieses schöne Reich eingeschlichen haben, um dort die Hölle auf Erden zu schaffen. Für sie besteht der Beweis ihrer Macht darin, Tropfen um Tropfen das Leben aus diesen unglückseligen Körpern zu pressen: Dabei wäre es doch viel gewisser & sicherer für diese hochmütigen Eroberer, den gerechten Groll ihrer Opfer zu mindern, indem sie mildere Sitten annähmen, weniger maßlos wären in ihren Vergnügungen, wenn ihr Glanz weniger Schäbigkeit an sich hätte & sie mehr Demut an den Tag legten statt so vieler Verbrechen & Strafaktionen …«
Pater Roth griff ein und meinte, das von seinem Kollegen gezeichnete Bild sei aber recht übertrieben, doch Kircher ergriff das Wort, um die Geister zu befrieden.
»Ach, leider lassen sich Liebe & Hass nicht so einfach an- & ablegen wie ein Hemd. Der Zorn ist flüchtiger, spezieller, heißer & leichter zu heilen, doch der Hass ist tiefer verwurzelt, allgemeiner, trauriger & nicht kurierbar. Er besitzt zwei bemerkenswerte Eigenschaften: Aversion und Flucht einerseits, andererseits Verfolgung & Verletzung. Die verschiedenen Abstufungen des Hasses lassen sich bis hin zu den wilden Tieren finden, die alsbald nach ihrer Geburt beginnen, ihre Feindseligkeiten & Kriege in die Welt zu tragen. Ein Küken, an dem noch ein Stück Eierschale klebt, fürchtet sich mitnichten vor einem Pferd oder einem Elefanten – die beide all jenen, die nicht um ihre hervorragenden Eigenschaften wissen, als schreckliche Bestien erscheinen –, doch es fürchtet bereits den Habicht, & sobald es ihn erblickt, sucht es Schutz unter den Flügeln der Glucke. Der Löwe erzittert beim Ruf des Hahns; der Adler hasst die Gans dermaßen, dass eine einzige seiner Federn genügt, um ihr gesamtes Gefieder zu vernichten; der Hirsch verfolgt die Natter: Indem er vor ihrem Loch heftig einatmet, zieht er sie heraus und kann sie verschlingen. Auch zwischen Adler & Schwan herrscht ewige Feindschaft; zwischen Rabe & Bussard; Maulwurf & Eule; Wolf & Schaf; Panther & Hyäne; Skorpion & Tarantel; Rhinozeros & Viper; Maultier & Wiesel; & zwischen vielen anderen Tieren, Pflanzen und gar Felsen, die einander verabscheuen. Und nun berichtet Ihr davon, dass solch furchtbare Zwistigkeiten auch bei den Götzenanbetern herrschen, zwischen Tartaren & Chinesen, doch entspricht es Gottes Willen, wenn wir – anders als die Angehörigen aller anderen Reiche der Natur – diese Widrigkeiten überwinden & mittels der Barmherzigkeit den Zwist beenden. Und es ist mitnichten zu bezweifeln, dass der Fortschritt der christlichen Religion in China diese Feindseligkeiten zum Erlöschen bringen wird, ganz wie ein Guss Wasser den ewigen Hass zwischen Holzscheit und Feuer löscht.«
Und lächelnd fügte er hinzu: »Doch sagt mir, habt Ihr denn aus China gar keine Kuriositäten mitgebracht, die geeignet wären, meine Unwissenheit über dieses Reich & die Dinge, die sich darin befinden, etwas zu mindern?«
Pater Roth nickte, holte aus einer Tasche eine Handvoll getrockneter Kräuter & hielt sie Kircher hin.
»Dies Kraut,
cha
genannt oder auch
Tee
, wächst zwar in verschiedenen Gegenden Chinas, doch ist es an gewissen Orten besser als an anderen. Man stellt ein Getränk daraus her, das ganz heiß getrunken & wegen seiner wohltätigen Wirkung gerühmt wird, & nicht nur sämtliche Bewohner des großen chinesischen Reiches laben sich daran, sondern auch die Inder, Tartaren, Tibeter, die Einwohner von Mogor & all jenen östlichen Landen genießen es mehrmals täglich …«
Kircher ließ ihn mit einer Handbewegung innehalten:
»Spart Euch Mühe und weitere Reden«, sagte er freundlich, »denn ich kenne dies
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