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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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bemerkenswerte Kraut bereits. Ich würde von seinen Tugenden nicht wissen, hätte unser guter Pater Boym nicht darauf gedrungen, dass ich sie am eigenen Leibe erlebte. Da ich es seither regelmäßig verwende, kann ich Euch aus eigener Erfahrung sagen, dass es purgative Wirkung hat; es öffnet wunderbar die Nieren & sorgt dafür, dass deren Gänge weiter werden, um Urin, Grieß & Steine leichter hindurchzulassen; sogar das Gehirn purgiert es & verhindert, dass fuliginöse Dämpfe es stören; kurz, die Natur könnte den Gelehrten & all jenen, welche durch berufliche Gründe zu langem Wachbleiben gezwungen sind, kein besseres Mittel an die Hand geben; dank seiner sind sie imstande, ihrer Arbeit und der Ermüdung zu widerstehen. Nicht nur verleiht dies Kraut hierzu die notwendige Kraft, sondern spendet auch dem Gaumen so viel Genuss, dass man es, hat man sich erst einmal an den etwas herben & bisweilen faden Geschmack gewöhnt, nicht mehr entbehren mag, sondern möglichst oft genießen möchte. Ja, man kann sagen, der Kaffee der Türken und auch die
xocolatl
oder
chocolatte
der Mexikaner, welche dieselbe Wirkung zu haben scheinen, sind dem
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doch unterlegen, denn dieser besitzt ein sanfteres Temperament & größere Qualitäten denn die beiden anderen; wir stellen fest, dass der
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sommers zu stark erwärmt & der Kaffee die Galle zu sehr erregt. Die ist beim
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nicht der Fall, ihn kann man zu jeder Zeit & mit großem Gewinn zu sich nehmen, und sei es auch hundert Male pro Tag.«
    Pater Roth konnte seine Enttäuschung nicht verbergen, dass er meinem Meister nichts Neues hatte bringen können. Dennoch bewunderte er ihn nicht weniger & verehrte ihm diesen
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, den er aus Indien mitgebracht, auf dass er dessen Geschmack & Wirkungen mit jenem des chinesischen vergleichen könne. Ein Geschenk, über das Kircher sich hocherfreut zeigte.
    »Auch ich habe an Euch gedacht«, sagte Grueber, indem er ein kleines Päckchen aus seiner Soutane zog. »Diese Paste ist aus einem Kraut hergestellt, welches aus der Provinz Kashgar stammt und von den Chinesen
Quei
genannt wird, »Kraut, das die Traurigkeit vertreibt«. Wie sein Name leicht erkennen lässt, besitzt es die Fähigkeit, bei jenem, der es einnimmt, Lachen und Freude hervorzurufen. Besser noch, es ist stärkend für das Herz, was ich selbst manches Mal habe bestätigen können, wenn ich es benutzte, um die steilen Gebirge Tibets zu erklimmen.«
    »Ich möchte fast meinen«, sagte Kircher, »dass wir über ein ähnliches Kraut verfügen, nämlich Apiorisus, & ich würde ohne weiteres glauben, dass es in jenem Lande ein ähnliches gibt, wenn es hieße, dass es giftig sei. Nun sagt Ihr aber, es gehöre zu jenen, die das Herz stärken und die Gesundheit fördern, & das kann ich erst begreifen & unterschreiben, nachdem ich es selbst probiert habe.«
    »Nichts leichter als das, Hochwürden, nur sollte man die Paste wegen ihres unangenehmen Geschmacks zuvor mit Konfitüre oder Honig anmischen.«
    Auf einen Wink meines Meisters schickte ich mich dazu an, doch da ertönte der Gong: Durch das Sprachrohr kündigte der Bruder Pförtner einen Besuch des Cavaliere Bernini an. Hocherfreut, seinen Freund wiederzusehen, ließ Kircher ihn sofort hochkommen.
    »An die Arbeit, an die Arbeit!«, rief der Bildhauer laut bereits auf der Schwelle der Bibliothek, in welcher wir saßen. »Alexander braucht uns!«
    Kircher trat zu ihm hin, nicht ohne seinen wilden Auftritt bei den Besuchern zu entschuldigen.
    »Nun, könnt Ihr mir diese lärmende Begrüßung erklären?«
    »Aber freilich doch, Hochwürden, nichts einfacher als das. Soeben habe ich aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass der Heilige Vater nach dem Vorbilde des seligen Pamphili einen Obelisken zu errichten wünscht, und zwar auf der Piazza della Minerva, & es für gut befindet, uns ein weiteres Mal mit der Verwirklichung des Vorhabens zu betrauen. Also komme ich spornstreichs zu Euch, gewiss, dass diese Nachricht Euch ebenso erfreuen wird wie mich …«
    »Ich höre es in der Tat mit einiger Freude, doch seid Ihr auch sicher, dass das so zutrifft?«
    Bernini trat zu meinem Meister hin & flüsterte ihm kurz etwas ins Ohr.
    »Wenn das so ist«, antwortete Kircher strahlend, »dann gibt es keinen Zweifel mehr, & ich beglückwünsche uns zu dieser Auszeichnung & zu dem Vertrauen, das uns Seine Heiligkeit erweist. Doch kommt, lasst mich Euch die Patres Roth & Grueber vorstellen; sie kehren eben aus China zurück, &

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