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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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führen können, berief er sich auf das Désert du Retz als vornehmste Quelle seiner Erfahrungen.
    Nach wenigen Wochen Aufenthaltes in Paris begaben wir uns endlich ins Collegium von Avignon, wo Pater Kircher Mathematik und biblische Sprachen unterrichten sollte.
    Als Mann aus dem Norden & dem germanischen Nebel sah sich Athanasius sogleich vom Licht des Südens bezaubert. Es war, als öffne sich ihm die Welt erneut & als werde er unversehens ihrer göttlichen Klarheit gewahr. Weit mehr denn als ein Gestirn, das man vermittels des Teleskopes beobachtete, erwies die Sonne sich als die Lampe Gottes, als Seine Gegenwart & Aura bei den Menschen.
    Da mein Meister in der Ebene von Arles die wundersame Fähigkeit der Sonnenblume entdeckte, dem Lauf der Sonne zu folgen, entwarf & baute er sogleich eine auf diesem einzigartigen Prinzipe beruhende Uhr. In einem kleinen runden Wasserbecken ließ er eine etwas kleinere Scheibe von nämlicher Form treiben, darauf in einem irdenen Topf eine dieser blühenden Blumen. Ungehindert durch ihre im Erdreich verankerten Wurzeln, erfreute sich die Pflanze nunmehr aller Freiheit dabei, dem Gestirn zu folgen. In der Mitte der Blütenkrone angebracht, wies eine Nadel mit ihrem Schatten die Stunden auf dem unbeweglichen Ring, der diese ganze Anordnung umgab.
    »Diese Maschine jedoch«, so erläuterte Kircher, als er sie den Oberen des Collegiums vorführte, »oder besser gesagt, dieser
biologische Motor
, in dem Kunst & Natur sich so vollendet ergänzen, lehrt uns zuvorderst, wie unsere Seele sich zum göttlichen Lichte kehrt, angezogen durch eine Sympathie oder einen geistig gesehen analogen Magnetismus, wenn es uns gelingt, uns der eitlen Leidenschaften zu entschlagen, welche diese natürliche Neigung hindern.«
    Die heliotropische Uhr des Pater Kircher ward alsbald in der ganzen Provence bekannt & vergrößerte seinen Ruf noch höchlich.
    Überdies fand mein Meister großen Vorteil darin, hier unfern des Hafens der Stadt Marseille zu wohnen.
    So konnte er mit David Magy Kontakt pflegen, einem Händler in Marseille, mit Michel Bégon, Schatzmeister der ostwärts fahrenden Küstenmarine in Toulon, & mit Nicolas Arnoul, dem Verwalter der Galeeren, welcher beauftragt worden war, gen Ägypten zu reisen, um von dort verschiedene Gegenstände für die Sammlungen des französichen Königs herbeizubringen. Bei diesen Herren, die alles kauften, was die arabischen & jüdischen Händler ihnen an Kuriositäten heranschafften, sah Kircher allerlei kleine Krokodile & Eidechsen, Vipern & Schlangen, getrocknete Skorpione & Chamäleonten sowie Steine von seltenen Farben voller antiker Figuren & Hieroglyphen wie auch aller Arten ägyptische Abbilder aus glasiertem und gebranntem Ton. Bei Monsieur de Fouquet sah er auch Sarkophage & einige Mumien, Idole, Stelen & Inskriptionen, die abmalen zu dürfen er jedes Mal dringlich bat. Unermüdlich durchmaß Athanasius die Gegend, um all diese Herren aufzusuchen & ihre Sammlungen zu bewundern. Er erwarb durch Kauf oder Tausch oder kopierte alles, was ihn für seine Forschungen interessierte, & vornehmlich orientalische Bücher oder Manuskripte, die in die Provence gelangt waren. So konnte er eines Tages zu seiner großen Freude eine alte astronomische Linse gegen eine höchst seltene persische Transkription des Matthäusevangeliums erstehen.
    Der Annahme, dass sich im noch in Ägypten gesprochenen Koptisch die altägyptische Sprache wie in einer Versteinerung erhalten habe & ihm diese dazu dienlich sein könne, die Geheimnisse der Hieroglyphen zu ergründen, begann Kircher sie alsgleich zu studieren & ward binnen weniger Monate ihrer sehr kundig.
    Das heimische Deutschland & alles, das ihn mit Fulda verband, schien mein Meister vergessen zu haben; ohne Unterlass lernte er und setzte seine erstaunliche Erfindungskraft ins Werk. So fasste er bald nach unserer Ankunft in Avignon den Einfall, seine katoptrischen Kenntnisse vorzuführen, indem er eine außergewöhnliche Maschine konstruierte. Tag und Nacht arbeitend, schuf er von eigener Hand im Turm des Collegiums de la Motte eine Vorrichtung, die den Himmel in seiner Gänze darzustellen vermochte. Am vorgesehenen Tage verblüffte er sein Publikum, indem er die gesamte Himmelsmechanik ans Gewölbe der Ehrentreppe projizierte. Mond, Sonne & Gestirne kreisten da gemäß den von Tycho Brahe aufgestellten Gesetzmäßigkeiten, wie von der eigenen Bewegung in Gang gehalten, & durch einen schlichten wie

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