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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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merda!
«
    »Was ist denn?«, fragte Eléazard, verblüfft über ihren Ausbruch.
    »Nichts.« Sie errötete abermals. »Jetzt hat mich doch eine Mücke gestochen …«

São Luís
    Schwellende Lippen, nachgiebige Frucht des Mangobaums.
    »Ja … Gut … Ich will alle, ausnahmslos alle … Das ist von größter Wichtigkeit, ich hoffe, Sie haben verstanden? Wer? … Moment, ich schaue nach …«
    Das Telefon zwischen rechte Schulter und Wange geklemmt, wodurch seine Wange um den Hörer quoll, rollte Colonel José Moreira da Rocha den Katasterplan auf seinem Schreibtisch noch etwas weiter aus.
    »Welche Flurnummer sagen Sie? 367  … N. P. … B.? N. B. … 40  … Da, ich hab’s … Warum will er nicht verkaufen? Da ist doch nichts als Sumpf und Dschungel! Was für ein Haufen von Idioten, du lieber Himmel! Bieten Sie ihm das Doppelte, und er soll sich zum Teufel scheren. Das muss alles in zwei Wochen über die Bühne sein … Nein … Ich sage nein, Wagner! Kein Risiko, vor allem jetzt nicht. Und Sie wissen doch, dass ich solche Methoden nicht mag … Wovon lebt er? … Gut ich kümmere mich darum. Sie werden sehen, es geht schneller als geplant. Übrigens, die Besprechung wurde vorverlegt: Morgen, drei Uhr … Davon will ich nichts wissen! Sie kommen auf jeden Fall, ich verlasse mich auf Sie … genau … Genau … Gut, aber beim kleinsten Problem rufen Sie mich an.«
    Sobald er aufgelegt hatte, neigte der Colonel sich über die Sprechanlage:
    »Anita, verbinden Sie mich bitte mit den
Frutas do Maranhão
. Und ich hätte gern ein Tässchen Kaffee.«
    »Gern, Senhor … Wen möchten Sie sprechen?«
    »Bernardo Carvalho, den Direktor.«
    Der Colonel warf sich in seinen Sessel zurück, steckte sich einen langen Zigarillo an und genoss sichtlich befriedigt die ersten tiefen Züge. Durch das bis auf halbe Höhe in kleine grüne und gelbe Felder unterteilte große Fenster im Kolonialstil hinter ihm dämmerte sanft-säuerliches Licht auf seinen eierschalfarbenen Anzug. Mit der breiten, bloßen Stirn und den à la Franz Liszt um die Ohren spielenden schwarzen Locken sah der Gouverneur Moreira da Rocha aus wie das Porträt eines Politikers aus dem vorigen Jahrhundert. Verstärkt wurde dieser Eindruck noch – oder aber er rührte einzig von diesem Detail her – durch die enormen weißen Koteletten, die bis zu den Mundwinkeln über seine Wangen liefen und auf fast obszöne Weise das wuchtige, gekerbte Kinn betonten. Der solchermaßen gerahmte Mund zog sämtliche Blicke auf sich; wer nur die fleischigen, etwas schräg sinnlich-verächtlich geschürzten Lippen sah, hätte sie einem Jugendlichen zugeschrieben. Bei einem Blick auf die wie Bleikugeln zwischen den Reptilienfalten der Lider liegenden Augen des Colonels sah man die tiefen, körnigen, vom angesammelten Zynismus geschwärzten Augenringe und war sich nicht sicher, hatte man es mit einem recht gut erhaltenen Greis zu tun oder mit einem dank seiner Maßlosigkeit früh Gealterten. Moreira kannte die Verwirrung, die diese Theatermaske bewirkte; er wusste sie feinsinnig, manchmal auch brutal zu nutzen.
    Die Sprechanlage spuckte kurz:
    »Entschuldigen Sie bitte, ich habe Bernardo Carvalho auf der Drei.«
    Der Colonel drückte einen Knopf und ließ sich wieder in seinen Sessel sinken.
    »Hallo, Nando? … Gut geht’s, und selbst? Was gibt’s Neues, Alter? … Ja … Ha! Ha! Ha! Pass bloß auf, in deinem Alter kann so ein Leichtsinn einen teuer zu stehen kommen. Stell sie mir mal vor, dann zeige ich ihr das wahre Leben! Aber zum Geschäft: Da ist so ein kleiner Scheißbauer, ein gewisser Nicanor Carneiro, der macht mir Ärger. Weißt du, wen ich meine? … Nein, nichts Schlimmes, aber ich möchte ihm eine Lehre erteilen, ihm Manieren beibringen. Du vergisst einfach eine Zeitlang, bei ihm einzukaufen … nur so lange, bis seine Scheißmangos schön faul sind. Ganz genau, ja … Und sorg dafür, dass er sie auch nicht anderweitig loswird, ja! … Okay,
amigo
, ich revanchiere mich, verlass dich drauf. Und nicht vergessen, ich rechne bei meinem kleinen Fest mit dir! Also, auf bald … Ja, genau … Genau … Ciao, Nando, ich muss auflegen, ich hab einen Anruf auf der anderen Leitung … Ciao …«
    Er steckte seinen Zigarillo wieder an, und seine Sekretärin erschien in der Tür, ein Silbertablett in den Händen. Mit einem Hüftschwung schloss sie die Tür und kam vorsichtig auf ihn zu, um ja keinen Tropfen auf den karmesinroten Teppich zu

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