Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
Vom Netzwerk:
meines verehrten Meisters bewundern.
    In dieser Zeit, nämlich im September 1633 , erfuhren wir von der Verurteilung Galileo Galileis durch das Heilige Offizium. Als vertrauter Freund des Astronomen verfügte Peiresc über zuverlässige Informationen durch seine Bekannten in Rom, und er bat Kircher, mit ihm in die Stadt zu kommen, um dort die Angelegenheit zu erörtern. Allsogleich begaben wir uns dorthin, ohne dass ich in Erfahrung zu bringen vermochte, was mein Meister von diesen Dingen hielt, denn er wahrte ein mürrisches Schweigen.
    Peiresc war darob verblüfft; er schäumte vor Wut und verfluchte die gespenstische Ignoranz der Inquisitoren. In dem sich entspinnenden Streitgespräch setzte Athanasius all seine rhetorischen Künste ein, um das Urteil des Heiligen Offiziums zu verteidigen & blinden Gehorsam gegenüber seiner Autorität zu predigen, zumal in der gegenwärtigen schmerzlichen Zeit von Schisma & geistlicher Verwirrung.
    Dennoch musste Kircher – angesichts Peirescs offenkundiger Enttäuschung & den Beweisen, die er vorbrachte, um die Erdrotation zu belegen – schließlich einräumen, dass er die Ansichten des Kopernikus wie auch des Galilei teilte, wie übrigens ja auch die Patres Malapertuis, Clavius & Scheiner, also Galileis Ankläger persönlich, die sich jedoch gehalten, ja gezwungen sahen, in ihren Schriften die bislang gültigen Postulate des Aristoteles zu unterstützen; allerdings folgten sie hierin den Geboten der Kirche nur unter Druck & dank ihres Gehorsams.
    Als er ihn solchermaßen reden hörte, umarmte Peiresc meinen Meister voller Freude, ihn als Verbündeten auf dem geraden Wege der Vernunft zu wissen. Ich hingegen, bisher in absoluter Treue zu Aristoteles erzogen, verbarg meinen Missmut keineswegs, so dass beide sich darauf verwandten, mir darzulegen, worin der unfehlbare Philosoph sich geirrt hatte. Ich war leicht zu überzeugen – ach, formbare Jugend –, behielt von diesem Glaubensabfall jedoch das betrübliche Empfinden zurück, nunmehr einer geheimen, der Häresie zugeneigten Bruderschaft anzugehören. Auf dem Rückweg saß ich wie auf glühenden Kohlen, so sehr war ich davon überzeugt, dass mir meine ketzerischen Ansichten an der Nasenspitze anzusehen seien und man mich unverzüglich der Inquisition überstellen würde. Diese meine Sorge belustigte Kircher, doch linderte er sie ein wenig durch den Hinweis, ich möge mich seinem Beispiel folgend frei und öffentlich als Anhänger des Systems von Tycho Brahe zu erkennen geben, welches von der Kirche anerkannt war & zugleich die Vernunft befriedigte, denn es war ein geschickter Kompromiss zwischen dem aristotelischen
unbewegten Beweger
 & dem universellen Kreisen des Italieners.
    Einige Tage darauf erreichte uns im Collegium von Avignon per Eilbote der Befehl, uns unverzüglich nach Wien zu begeben, & wir machten uns eilig an die Reisevorbereitungen.

Corumbá
    Ein kleiner Fisch, ein ganz kleiner Fisch.
    Als ihr Zug im Bahnhof von Corumbá einlief, wurden sie bereits von Detlef und Milton erwartet. Elaine freute sich auf die freundliche Miene ihres deutschen Kollegen. Er war klein, rundlich und ließ sich einen dichten, pfeffer-und-salz-farbenen Bart stehen, wie als Ausgleich zu dem schütteren Haarkranz, der noch der um sich greifenden Kahlheit widerstand. Fast immer gutgelaunt und leutselig, war er für sein freundliches Wesen, seinen gesunden Appetit und einen Sinn für Wortspiele bekannt und stets zum Lachen aufgelegt, so dass Elaine ihn sich gar nicht anders vorstellen konnte als mit durch den buschigen Schnurrbart blitzenden Zähnen. Seinem schwer sonnenverbrannten, ziegelroten Schädel war anzusehen, dass er während der Wartezeit nicht untätig gewesen war. Sehr viel zurückhaltender als Detlef und allein schon dadurch weniger zugänglich, wusste Milton durch seine legendäre Strenge zu beeindrucken. Trotz seiner geringen Erfahrung in der Feldforschung oder wahrscheinlich eben ihretwegen legte er größten Wert darauf, in allem peinlichst die Formalitäten zu befolgen. Dank seiner politischen Verbindungen und der Gunst, die er bei den höchsten Gremien der Universität genoss, konnte er sich für nächstes Jahr auf das Amt des Rektors Hoffnungen machen. Nun lag ihm daran zu beweisen, dass er diese Ehre fraglos verdiente, und so blickte er bereits jetzt maskenhaft kalt und hochmütig drein. Kurz und gut, er wirkte krampfig, und Detlef hätte gut und gern auf seine Gegenwart verzichtet, musste sich aber mit

Weitere Kostenlose Bücher