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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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Eurer Einwendungen gegen seine scheinbare Dunkelheit begriffen haben werdet, fasst dieser Text die ägyptische Lehre bezüglich der Prinzipien zusammen, welche die Welt regieren. Ersetzt Mophta durch Gott, Osiris durch die Sonne oder die sieben Türme des Himmels durch die sieben Planeten, & Ihr werdet feststellen, dass diese Lehre bis auf ein paar Details mit derjenigen der Kirche übereinstimmt. Folglich werdet Ihr, so möchte ich hoffen, mir darin beipflichten, dass weder Schildkröte noch Gürteltier als Symbole in der Lage wären, ein derart komplexes System zu versinnbildlichen.«
    Bernini runzelte die Brauen: »Gern gestehe ich Euch das zu; Ihr habt wohl bereits ein anderes Tier im Kopf?«
    »Um die Wahrheit zu sagen, habe ich noch überhaupt nicht darüber nachgedacht. Dennoch will mir auf Anhieb scheinen, ein Ochse oder ein Rhinozeros würde hervorragend passen. Der Ochse, denn er hat unseren Herrn mit seinem Atem gewärmt, doch auch, da die Griechen in ihm unter dem Namen Epaphus Sonne & Mond verehrten & die Ägypter unter dem Namen Apis die Seelen von Osiris & Mophta. Das Rhinozeros nun …«
    »Ausgeschlossen!«, unterbrach Bernini ihn kopfschüttelnd, »die Franzosen haben es bereits in dieser Weise für den Einzug Katharina von Medicis in Paris verwendet. Und der Ochse mag ein interessantes Symbol sein, aber ich höre schon die Bemerkungen unserer Römer angesichts dieser Statue: Sie werden hunderterlei schlüpfrige Scherze ob seiner Hörner und Geschlechtsteile erfinden, & ich möchte stark bezweifeln, dass der Heilige Vater das so schätzen würde …«
    »Ihr habt so recht … diese Seite des Problems darf man nicht vernachlässigen.«
    Grueber, der bislang respektvoll gelauscht hatte, ergriff auf einmal das Wort:
    »Gelehrte Herren, was hieltet ihr von einem Elefanten?«
    »Ein Elefant?!«, fragte Bernini.
    »Ja freilich!«, rief mein Meister begeistert & packte den Bildhauer bei den Schultern. »
Cerebrum in capite!
 … Das Gehirn ist im Kopfe! Versteht Ihr, Lorenzo? Die
Hypnerotomachia Poliphili
und ihre unlösbaren Rätsel … warum bin ich nicht längst darauf gekommen? Da haben wir unser Symbol, denn kein anderes Tier ist in Wahrheit weiser als der Elefant!«
    Bernini war verlegen wie eine getadelte Katze:
    »Hm!«, machte er nur kurz und bündig.

Mato Grosso
    Wie mit Träumen befiederte Pfeile.
    Elaine hatte sich während Mauros Abwesenheit furchtbare Sorgen gemacht. Jetzt berichtete er ihr alles, noch unter dem Schock des grausigen Anblicks, und brach beim Reden in Schluchzen aus; sie tröstete ihn nur zu gern, als er das Gesicht schutzsuchend an ihre Brust drückte. Ihre aufrichtige Trauer mischte sich mit nackter Panik, die sie geradezu körperlich lähmte. Die Angst kreiste rasend schnell in ihrem Kopf.
    Mit der Nacht kamen die Moskitos.
    »Wenn ich nur daran denke, dass er das Magazin weggeworfen hat …«, murmelte Petersen.
    Er dachte laut nach; die Satzfetzen, die ihm entschlüpften, machten die Dunkelheit noch bedrohlicher, denn durch sie wurde klar, wie sehr sie in der Falle saßen.
    Detlef wachte auf, Elaines Namen auf den Lippen. Sie antwortete schnell. Während sie die Wunde reinigte – eher als Maßnahme gegen ihre Angst, regelrecht nötig war es nicht –, beschloss sie, ihm Yurupigs Tod zu verschweigen. Die Infektion hatte sich bedrohlich entwickelt, er brauchte all seine Kraft, um ihr zu widerstehen. Die Indios hatten den Rucksack zurückgebracht … Am nächsten Morgen würden sie weiterziehen … Er musste durchhalten … Noch beim Sprechen verkehrten sich in ihrem Kopf diese frommen Lügen in ihr Gegenteil, in die strikte Wahrheit: Detlef würde es nicht mehr lange schaffen, und sie würden diese Lichtung vielleicht nie mehr verlassen. Angst und Ungewissheit ließen ihr scharf riechenden Schweiß unter den Achseln ausbrechen.
    »Hat in dem Rucksack etwas gefehlt?«, fragte Detlef matt.
    »Nein«, antwortete Elaine. »Das heißt, ja … die Fossilienproben sind weg. Wahrscheinlich haben sie die einfach für Steine gehalten und weggeworfen …«
    Man hörte Petersen im Dunkeln schniefen.
    »Der und sein Koks!«, schimpfte Detlef.
    »Gib nicht darauf acht, versuch lieber zu schlafen …«
    Die Indios hatten ihren Scheiterhaufen angezündet. Der Flammenschein leuchtete rot in die Hütte, warf gestreifte Bilder auf die Gesichter, bizarre Hieroglyphen. Eine schrille, vielfach wiederholte Melodie stiegt mit den Flammen gen Himmel, grelle Flöten begleiteten

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