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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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Augen und schlug sich die Hand vors Gesicht.
    »Sag’s mir, bitte.« Eléazard ließ nicht locker.
    Statt zu antworten, sprang Soledade auf und rannte in ihr Zimmer.
    Eléazard hätte gern weinen können wie sie, um seine Seele zu befreien. Er blieb auf der Terrasse, trockenen Auges, die Flasche in Reichweite. Etwas später hörte er, ohne zu reagieren, das Läuten des Telefons und die Nachricht, die Doktor Euclides ihm auf den Anrufbeantworter sprach.
    Als die Mücken kamen, floh er ins Wohnzimmer; er ging schwankend, mit allerlei Kurven, über die er selbst lachen musste.
     
    Am Morgen darauf warf ihn der Wecker viel früher aus dem Bett, als ihm lieb war. Nach all der Cachaça saß ihm etwas wie ein eiserner Ring um die Stirn, und die Aussicht, nach São Luís fahren zu müssen, wohin Doktor Euclides ihn mit seinem Anruf bestellt hatte, erfreute ihn nicht im Geringsten. Aber in diesen Dingen kannte der alte Mann keinen Spaß: Wer ihn jemals versetzt hatte, und sei es auch nur ein einziges Mal, hatte ihn nie wiedergesehen.
    Die Überfahrt verbrachte Eléazard an Deck; die Meeresluft linderte sein Kopfweh ein wenig. In São Luís kaufte er die örtliche Tageszeitung und zwang sich dazu, einen Kaffee zu trinken. Die Carneiro-Affäre war auf Seite drei gerutscht, wo sie immer noch nicht wenig Raum einnahm; ein für seine reaktionären Ansichten bekannter Journalist versprühte ausgiebig sein Gift. Den Behörden, so schrieb er, lägen förmliche Beweise vor, dass das Ganze ein Komplott sei, um die PDS in den Schmutz zu ziehen. Waldemar de Oliveira mache sich der Amtsanmaßung schuldig: Da der Mord in Alcântara geschehen war, sei die Staatsanwaltschaft von São Luís zuständig, nicht die von Santa Inês. Man kenne die Kommunistenfreundlichkeit dieses Mannes, ganz zu schweigen von seinen notorischen homosexuellen Neigungen … Quellen aus gutunterrichteten Kreisen sprachen von Strafversetzung und sogar von einer beginnenden Untersuchung wegen Pädophilie. Es sei umso niederträchtiger, den Gouverneur so haltlos anzugreifen, als sein Sohn im Mato Grosso vermisst werde, wahrscheinlich sei er bereits umgekommen, im Dienste der Wissenschaft und für sein Vaterland!
    Moreira dürfte eine erkleckliche Summe berappt haben. Das Plädoyer wirkte schlüssig und hatte wohl die beabsichtigte Wirkung. Da haben wir’s, dachte Eléazard, wieder einmal geht so eine Sache den Bach hinunter. Vielleicht nutzte das Ganze Moreira bei den Wahlen sogar noch. Letzten Endes funktionierten die Loredana so teuren Strategeme wohl doch nicht so gut. Wie es aussah, gelang es der Akazie nicht nur, den Maulbeerbaum vor den Anklagen zu schützen, sondern sie zerquetschte gleich noch sämtliche Seidenraupen, die ihr dabei unterkamen.
     
    »Na, ihr macht ja schöne Sachen!« Mit diesen Worten empfing ihn Doktor Euclides in seiner Wohnung.
    Schon bevor er sie selbst sah, roch Eléazard das Parfüm der Gräfin Carlotta. Er begrüßte sie und nahm in einem Sessel ihr gegenüber Platz.
    »Haben Sie es ihm erzählt?«, fragte er. Und auf ihr Nicken hin: »Viel gebracht hat es wohl nicht … haben Sie heute schon die Zeitung gesehen? Er schafft es, die Sache zu unter den Teppich zu kehren, das ist sonnenklar …«
    »Immer schön defätistisch, was?« Doktor Euclides zwirbelte seinen Bart. »Das Spiel ist noch nicht entschieden, glauben Sie mir. Er verteidigt sich, das ist sein gutes Recht. Aber wenn Carlotta ihn selbst belastet, ist es aus und vorbei mit seiner Karriere …«
    »Aber das hat keinerlei juristischen Wert, oder? Dann steht nur einfach ihr Wort gegen seines …«
    »Wohl schon, aber die Wahl würde er mit Sicherheit verlieren. Seine politischen Freunde dürften ihn einer nach dem anderen fallen lassen.«
    »Wären Sie tatsächlich bereit, das zu tun?«, fragte Eléazard die Gräfin.
    Carlotta schien der völligen Erschöpfung nah, doch aus ihrer festen Stimme sprach unerschütterliche Entschlossenheit:
    »Wenn es sein muss, klage ich ihn persönlich an. Viel habe ich nicht mehr zu verlieren …«
    »Immer noch keine Nachrichten von der Expedition?«, erkundigte Eléazard sich mit einer Gelassenheit, die ihn selbst erstaunte.
    »Sie sind am Leben«, erklärte Doktor Euclides, »der Helikopter hat ihr Schiff überflogen: Offenbar sind sie nach einem Maschinenschaden auf Grund gelaufen. Man nimmt an, dass sie in den Dschungel aufgebrochen sind, mehr ist derzeit nicht bekannt. Es dürfte Wochen dauern, eine Rettungsmannschaft dort

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