Wo Tiger zu Hause sind
des Collegiums, Pater Ramón de Adra, stellte milchigen Urin fest, einen gespannten Unterleib & gelbbräunlich belegte Zunge. Der Puls schlug schneller als gewöhnlich & zudem unregelmäßig. Seine Verordnung lautete auf eine leichte & säuerliche Diät auf Basis von Mehlsuppen, denen man Sauerampfer- oder Zitronensaft zusetzen sollte, oder aber Sauerkirschen & Granatapfel. Überdies nahm Pater Ramón vorsorglich einen Aderlass vor & meinte, ich könne bezüglich des weiteren Verlaufes ganz und gar unbesorgt sein.
Anderntags war jedoch keinerlei Besserung feststellbar, im Gegenteil: Kircher wies hellrote, bei der Berührung harte Geschwüre auf, sowohl im Mund & auf den Lippen als auch an den Drüsen in der Leistenbeuge & unter den Achseln. Schwärzlicher, stinkender Durchfall trat auf & bewirkte beim Kranken eine derartige Mattigkeit, dass ihm alles gleichgültig zu sein schien, bis auf ein heftiges Kopfweh, das seine Stirn folternd umfing. Angesichts dieser neuen, für ein bösartiges Fieber typischen Symptome konnte mir Pater Ramón seine Sorge nicht verhehlen: Nur wenn Hochwürden Kircher die nächsten sieben, acht Tage überlebe, bestehe eine gewisse Aussicht auf Heilung. Aus reiner Gewissenhaftigkeit verschrieb er dennoch Weinsteinpulver in kleinen Dosen, gemischt mit Brechwurz, um dem Durchfall zu wehren und die Transpiration zu fördern, dazu alle zwei Stunden eine halbe Drachme Schlangenwurz & zehn Körnchen Kampher, um die Kräfte wiederherzustellen. Ohne Ansehen der Kosten gab er mir außerdem eine Unze feinst pulverisierten Kinas sowie einige Samenkapseln Mohn, bei den Fieberanfällen in kleinsten Dosen zu verabreichen. Bevor er ging, empfahl er mir noch, die Luft im Krankenzimmer rein zu halten, indem ich das Fenster geöffnet hielt & ständig Essig abbrannte.
Als am siebenten Tage immer noch keine Heilung in Sicht war, gestattete mit Pater Ramón, zu einem Mittel zu greifen, dem sich Athanasius widersetzt hätte, doch die Verschlechterung seines Zustandes & das bevorstehende Ende ließen es als dringend geboten erscheinen. Ich ließ also ein lebendes Schaf herbeischaffen & zu Füßen seines Bettes an einen Pfosten binden … Ich hatte wohl daran getan, denn am neunten Tage – sei es, das Tier hatte das Gift eingeatmet, das der Körper meines Meisters verströmte, und auf diese Weise die Krankheit abgeleitet, sei es, dass dieses Übereintreffen auf einem glücklichen Zufalle beruhte – fanden wir das Schaf tot & Athanasius auf gutem Wege zur Genesung.
Nach kaum einer weiteren Woche plante er bereits, sich wieder an die Arbeit zu machen! Pater Ramón riet ihm dringend davon ab, denn solcherlei Fieber rührten zuvorderst von eingeschlossener Luft & allzu exzessiv betriebenen Studien her. Daher verschrieb er ihm häufige Spaziergänge auf dem Lande sowie einen gesunden & nach dem Gang der Sonne ausgerichteten Tagesablauf.
Doch schon bei unserem ersten Ausgang, als er mir den jungen Kupferstecher Agapitus Bernardinis vorstellte, der uns begleiten sollte, wurde mir klar, dass mein Meister zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen wollte & sich nur gefügt hatte, um die Muße, zu der man ihn zwang, gut zu nutzen. Ich stellte ihm eine kurze Frage, & er gestand ohne Umschweife, dass er, von der Dringlichkeit beseelt, sein archäologisches Projekt zu verfolgen, plante, das alte Latium in der Absicht zu durchwandern, das Bild des alten Roms zu erneuern & die vollendete Übereinstimmung der römischen Geschichte mit derjenigen der Bibel nachzuweisen … Trotz meiner Sorgen bezüglich der möglichen Auswirkungen eines solchen Vorhabens auf seine Gesundheit mühte ich mich, ihm dabei nach Kräften zur Seite zu stehen.
Bis zum Mai durchwanderten wir also sämtliche Ruinen der Stadt, ebenso innerhalb wie außerhalb der Mauern, wobei wir Karten & Pläne aller Orte aufnahmen, die erkennbar aus dem Altertum stammten. Nichts entging der aufmerksamen Neugier meines Meisters, weder die großartigen Überreste der Domus Aurea noch die bescheideneren des Tempels der Tiburtinischen Sibylle, deren Orakel Cäsar vergebens die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus verkündet hatten. In Tusculum, wo sich einst Tiberius und Lukull vor den Pestilenzen der Stadt schützten, besichtigten wir zahlreiche Villen, die noble Familien unseres Jahrhunderts an demselben Orte errichtet hatten. Überall ward Kircher als Ehrengast empfangen, & ein jeder bemühte sich, ihm durch allerhand Zuvorkommenheiten die Recherchen
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