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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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einfach geschluckt hat …«
    »Der Trick war, dass Sie es auf Ihre Kappe genommen haben. Wie es aussieht, würde er Ihnen alles verzeihen …«
    Mauro überlegte kurz; diese Bemerkung kam ihm triftig vor. Wenn man es so sah, war die Sache sonnenklar.
    »Ich muss zugeben, ich mag ihn nicht besonders.«
    »Keine Sorge, ich auch nicht«, antwortete sie in vertraulichem Tonfall. »Er ist kein schlechter Kerl, aber seine Karriere ist ihm wichtiger als alles andere, und das ist eines Forschers unwürdig, finde ich.«
    Mauro ließ seinen Blick über den Fluss wandern. Von hinter dem Horizont entflammte die Sonne alles ringsum; wie Scherenschnitte standen die riesenhaften Bäume vor harmlosen Kumuluswolken mit glühenden Rändern. Das lauter werdende Geschrill der Insekten gesellte sich nach und nach zu den Rufen vereinzelter Vögel, die zum letzten Mal ihrer Angst vor der hereinbrechenden Nacht Laut verliehen. Das Ufer war wenige Meter vom Schiff entfernt; ein knackender Zweig, eine verstohlene Bewegung im Gebüsch, alles erregte ständig seine überwachen Sinne.
    Mit einem Begeisterungsausbruch, den aber eine ihm unerklärliche Traurigkeit begleitete, durchbrach er das Schweigen:
    »Sie hingegen kann ich gut leiden«, sagte er zu Elaine, aber sie anzusehen wagte er nicht. »Also, ich meine, ich mag Sie wirklich gern …«
    Dieses verhüllte Geständnis rührte Elaine, und sie zerstrubbelte ihm die Frisur, wie sie es in einer vergleichbaren Situation bei Moéma getan hätte. Und in dem Augenblick, als er ihre Hand im Haar spürte, zugleich beglückt und beleidigt durch diese ambivalente Reaktion, hörten sie erstmals den zweifachen rauen Ruf der Kaimane.
     
    Halb auf seiner Liege ausgestreckt, an die Metallwand seiner Kajüte gelehnt, versuchte Herman Petersen, die Cachaça-Flasche zu sich heranzuangeln, die er seit bald zwei Stunden zielstrebig leerte; schon der Versuch allein versetzte seinen Gesichtskreis in schwindelerregende Rotationen, und beim Anblick der grundlos kreiselnden Sturmlampe war er resignierend davon überzeugt, dass er tatsächlich sturztrunken war. Er widerstand der machtvollen Versuchung, noch einen Schluck zu nehmen, und schloss die Augen, obwohl die Hoffnung, dem Drehwurm zu entgehen, gering war. Die Bilder bedrängten ihn beharrlich.
    Er hatte mit Milton und Detlef zu trinken begonnen, kurz vorm Abendessen, als die beiden Geologen zu ihm in die Offiziersmesse gekommen waren. Einen Aperitiv in der Hand, entspannt und leutselig, hatte Detlef sich nach der Piranhasuppe erkundigt. Herman hatte ihr Einlenken zur Kenntnis genommen. Ohne seinen immer noch unveränderten Groll oder seine Genugtuung darüber zu zeigen, wie leicht sie sich hatten kleinkriegen lassen, hatte er den dämlichen Indio angewiesen, ihren spärlichen Fang vom Nachmittag zuzubereiten, dann hatte er sich damit amüsiert, Milton die angebliche Wunderwirkung dieser Suppe zu schildern. Als sie mit Mauro auftauchte, bat Elaine sehr freundlich um eine Caipirinha und bewies damit, dass sie ebenso entschlossen war, den Zwist an Deck zu vergessen. Beim Essen hatte sie sogar gnädig an einem Glas mit der sagenhaften Suppe genippt und sich ein Kompliment über den Geschmack abgerungen. Dieses letzte Zeugnis guten Willens hätte ihn beinahe gerührt, aber dann hatte er Mauros mitleidigen Blick gesehen. Der Rotznase tat es leid, dass sie diese Kröte schlucken musste.
Comedia, comediante!
Sie hielten ihn alle für einen Idioten … Wutzernagt malte er sich in allen Einzelheiten seine schreckliche Rache aus.
    Yurupig würde er die Eier abschneiden, sie ihm ins Maul stopfen und ihn dann den Piranhas vorwerfen, die mochte er doch so gern. Bei Elaine würde es länger dauern, das musste komplizierter werden … Wie damals an dem Abend mit der Hure von Aktivistin, in der guten alten Zeit der Diktatur. Die Bullen hatten sie am Stadtrand aus dem Lieferwagen in den Schweinestall der Brüder Tavarez gezerrt. Das waren noch echte Patrioten, echte
Varones
, die hatten richtig was in der Hose! Ein paar mehr von der Sorte, und Brasilien wäre nicht so ein Land voller Bettler und Schwuchteln, sondern eines wie Chile! Musste man sich mal ansehen, wie es dort zuging! Die Schweiz von Südamerika. Alle parierten, alle funktionierten. Sogar ihr Wein war prima … Als sie in den Stall kamen, hatte die Kleine sie beschimpft. Sie aber hatten die Tür verschlossen und ihre Schwänze rausgeholt.
    »Zieh dich aus, Schlampe! Erst ficken wir dich in den Arsch, das

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