Wo Tiger zu Hause sind
und Wasser bespritzt. Ich spürte, dass seine sämtlichen Nerven zum Zerreißen gespannt waren, & die Knöchel seiner großen, die Dollborde umklammernden Hände traten weiß hervor.
»Bete für mein Seelenheil, Caspar!«, murmelte er unvermittelt, »& halt mich zurück, falls ich nach einer dieser Lanzen greife!«
In der Überzeugung, mein Meister müsse sich mit aller Macht beherrschen, um diese Männer nicht für ihre Grausamkeit zu züchtigen, sammelte ich meine letzte Kraft, um den Schutz Gottes unseres Herrn zu erflehen, & dem Himmel & vielleicht meinen Gebeten sei Dank gab Kircher diesem Antrieb nicht nach. Dies war ein großes Glück, denn in dem jämmerlichen Zustand, in welchem ich mich befand, hätte ich ihn wohl kaum zurückhalten & vor der ewigen Verdammnis bewahren können.
Als die Fische sämtlich in den Booten waren, stiegen wir wieder an Bord des Schiffes & setzten Segel gen Messina. Dort angelangt, stachen wir allsogleich wieder in See, & erst beim Anblick der schönen Felsen, welche Palermo überragen, geruhte mein Meister die Zähne wieder auseinanderzutun:
»Caspar, mein Freund, du hast mich in einer höchst heiklen Lage gesehen, & und ich werde etwas bei meinen Oberen zu beichten haben, sobald wir wieder in Rom sind, aber ich wünsche dir zuvor zu erklären, was geschehen ist. Das wird mir vielleicht helfen, die Schatten zu vertreiben, die meinen Geist verdunkeln …«
Canoa Quebrada
Der Traum eines Astronomen von einem barbarischen, verwüsteten Planeten.
Immer, wenn Roetgen die Dinge über den Kopf wuchsen, versetzte er sich, wie er es nannte, in einen »kataleptischen Zustand«. Mit einer kurzen, intensiven Konzentrationsanstrengung gelang es ihm ohne große Mühe, alle Urteilskraft abzuschalten und fast völlige Seelenruhe zu erreichen. Nichts konnte ihm mehr etwas anhaben, wenn er sich auf diese Weise willentlich in einen Zustand gebracht hatte, in dem alles passieren, ihn aber nichts mehr erschüttern konnte. Die schlimmsten Widrigkeiten glitten einfach an den unsichtbaren Wänden dieser augenscheinlichen Heiterkeit ab. Er könnte sich dann in einer abstürzenden Boeing befinden oder angesichts eines mit der Pistole herumfuchtelnden Irren, keine Faser seines Leibes würde zucken; im Falle eines Falles wäre er mit dem Gleichmut eines Lemmings gestorben.
Recht weit hinten stand er im Mittelgang des Busses, die Arme wie gekreuzigt fest an die matt stählern glänzenden Stangen geschmiedet, von allen Seiten von den Passagieren bedrängt, die sich an ihn lehnten, gefesselt, hin und her geworfen, betäubt von Hitze und Lärm; Roetgen hielt die Stellung wie auf einem Segelschiff im Sturm. Der Fahrer musste immer wieder plötzlich bremsen, um Tieren, Kindern oder Gegenständen auszuweichen, die unvermittelt vor seiner Windschutzscheibe auftauchten wie auf dem Bildschirm eines Videospiels, und jedes Mal versetzte es beim darauffolgenden Beschleunigen Roetgen einen Stoß mit dem Rammbock aus dem Fleisch und dem Schweiß von fünfzig Personen. Die bisweilen hinter der Wand aus Menschen erblickte Landschaft des Sertão sprang ihn mit ihrer Ödnis an.
Jemand zog behutsam an seinem Hemdsärmel:
»Geht es Ihnen gut? Wollen Sie sich nicht ein bisschen auf meinen Platz setzen?« Auch Moéma konnte ihren Kopf nur mit Mühe drehen, um ihn anzusehen.
»Kein Problem!«, antwortete er mit schicksalsergebener Miene. »Ich kann mich noch mindestens fünf Minuten aufrecht halten, bevor ich zusammenbreche.«
»Wir haben es fast geschafft«, lächelte sie freundlich, »noch eine halbe Stunde …«
Als Moéma im Haus der Deutschen Kultur auftauchte, traf sie erstaunt Roetgen dabei an, wie er Andreas und einigen anderen Dozenten dabei half, die Stühle ins Haus zu bringen.
»Wie spät ist es denn?«, fragte sie Roetgen, der ihr entgegenkam.
»Ein Uhr früh. Ich habe schon nicht mehr mit dir gerechnet. Ein gewisser Virgilio übrigens auch nicht mehr. Er ist vor zehn Minuten gegangen.«
»Mist! Ich bin wirklich eine Tomate! Ich hab die Zeit völlig vergessen.«
Sie wirkte seltsamer als in der Bank. Und sie hatte eine Fahne.
»Möchtest du was trinken? Andreas hat immer eine Flasche Whisky in seinem Büro.«
»Nein danke, ich kann nicht«, sagte sie nach kurzem Zögern. Und blickte zu der kleinen Gruppe von Dozentinnen hinüber, die sich unter dem Mangobaum zu schaffen machten. »Die dichten sonst wer weiß was daraus; das wäre nicht gut für Ihren Ruf. Die brasilianischen Dozenten pflegen
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