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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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gewonnen, & der alte Gelehrte verstummte.
    Auch kommentierte mein Meister die Behauptungen des Paters Pétau & einiger anderer, denen zufolge Gott die Erschaffung der Welt am 27 . Oktober des Jahres 3488 vor unserer Zeitrechnung begonnen habe, und zwar um acht Uhr & siebenundvierzig Sekunden nach Mitternacht; mit Leichtigkeit wies er mittels der Anwendung zutiefst verschiedener Theorien zu Tag & Jahr nach, dass es Überhebung war, dieses Datum behaupten zu wollen; & entsprechend das der Apokalypse.
    Der Fürst Palagonia nahm wieder an den Vorlesungen meines Meisters teil, in Gesellschaft des Kurfürsten von Hessen & der Notabeln der Stadt. Verschiedenerlei Gerüchte kursierten bezüglich Palagonias, & gespaltene Zungen ließen uns alsbald wissen, dass ihm die sieben Todsünden nachgesagt würden. Es hieß, dieser Fürst, von höchst eifersüchtiger Natur, halte seine Frau wie eine Gefangene, & der Palast erinnere eher an ein Spukschloss denn an die Wohnstatt eines wahren Christen. Auch wurden uns allerlei Grillen hintertragen, die ihn als Hirnkrüppel dastehen ließen, doch schenkten wir all dem keinerlei Glauben. Denn tatsächlich wetteiferte der Fürst in Höflichkeit mit meinem Meister & wirkte eher intelligenter & kultivierter denn die Mehrzahl seiner Mitbürger. Mit Vergnügen nahm Athanasius folglich seine Einladung an, die Weihnachtsfeiertage des Jahres 1637 bei ihm zu verbringen.
    Es blieben uns noch einige Tage bis zum von Fürst Palagonia genannten Datum, und mein Meister, unersättlich in seiner Wissbegier, beschloss sich gen Messina einzuschiffen. Der Rektor der Universität hatte ihm berichtet, die Fischer jener Gegend benützten einen bestimmten Gesang, um die Schwertfische anzulocken & sie so ins Netz zu führen. Dieses Wunderwerk wollte Kircher unbedingt mit eigenen Augen sehen. Mein Abraten, zu dem mich Seekrankheit und die Angst vor turkomanischen Piraten bewogen, war völlig wirkungslos; ich musste mich seiner Laune fügen.
    Die Einzelheiten unserer Seefahrt mögen unerwähnt bleiben, ich springe sogleich zu jenem Moment, da wir die von einigen Bojen bezeichnete Meeresgegend erreichten, wo die Fischerei betrieben wurde. Als das Schiff vor Anker lag, bestiegen wir eines der sechs Boote, die wir bis dorthin geschleppt hatten, und zwar dasjenige des »Raïs« oder Kapitäns. Wie wir in der Folge feststellten, beherrschte dieser Mann als Einziger die magischen Formeln, mit denen sich die Fische anziehen ließen. Die Fischer legten sich in die Ruder, & wir hatten kaum eine Viertelmeile zurückgelegt, da hub der Raïs zu singen an. Es war ein ununterbrochener, monotoner Singsang, herzzerreißend traurig, begleitet vom Klatschen der Ruder & den Antworten der Fischer. Gleich zu Beginn des Liedes neigte Kircher sich über Bord und blickte in die Meerstiefe hinab, & bald packte er dringlich meinen Arm, auf dass ich es ihm gleichtun möge: Tief im kristallgleich durchsichtigen Wasser erblickte ich vielerlei große, silbrige Fische, die langsam einherzogen und unser Boot auf seinem Weg begleiteten. Ein so großartiges Schauspiel, dass ich nicht müde wurde, es zu verfolgen … Mein Meister mühte sich fieberhaft, den Gesang zu notieren. Nach einer gewissen Weile trat plötzlich Stille ein. Wir hoben die Augen – Kircher von seinem Heft, ich vom Grunde des Meeres – und sahen zu unserer Überraschung, dass die Boote sich in einem weiten Rund angeordnet hatten. Die Fischer ruderten nicht länger; sondern zogen rhythmisch ein großes Netz ein, Armlänge um Armlänge. Der Kapitän stimmte einen anderen Gesang an, um sie bei dieser Anstrengung anzufeuern, & an der Neigung des Netzes zur Mitte des Rundes hin erkannte ich, dass es sich um eine große Tasche handelte, in welcher die Fische festsaßen.
    Bald befand sich der Grund dieser Tasche an der Wasseroberfläche: Thun- & Schwertfische, halb ihrem angestammten Element entrissen, brachten das Meer mit ihrem ziellosen Zappeln zum Brodeln. Ich fragte mich noch, wie die Fischer sie wohl an Bord bringen würden, da machten diese schon das Netz fest & ergriffen stabile Lanzen, die in einem eisernen Haken endeten. Der Raïs ließ ein drittes Lied erklingen, dessen schlagender Ernst – er skandierte es wie ein
Dies irae
 – nur zu gut zu dem Gemetzel passte, das nun folgte.
    Zwischen zwei Schluchzern blickte ich Kircher an. Das Massaker brachte ihn außer sich, die Augen traten ihm vor die Höhlen, das Haar stand ihm zu Berge, er war von Blut

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