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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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behutsam zerlegte; den Tabak sammelte sie auf ihrem Rucksack.
    Roetgen sah zu, wie sie den Joint fertigmachte. Trotz seiner Worte und der gespielten Lockerheit brachte ihn die Situation so weit in Verlegenheit, dass er sich deplatziert fühlte. Er hatte nur ein-, zweimal so etwas geraucht, ohne Genuss und ohne zu begreifen, warum seine Generation so viel Gefallen an der dadurch bewirkten Übelkeit fand, und jetzt sah er ängstlich dem Moment entgegen, wo er entweder mittun oder sich lächerlich machen musste. Immerhin waren ihm jetzt die seltsamen Absencen der jungen Frau im Unterricht besser begreiflich, die Sonnenbrille, die sie häufig trug, und auch ihre sehr typische Art, von einem Thema zum anderen zu wechseln oder zu unpassenden Gelegenheiten loszulachen. Dass er jetzt den verborgenen Auslöser seines Hingezogenseins zu ihr begriff, erfüllte ihn jäh mit einer Art Missmut.
    »Der Gast zuerst!« Moéma hielt ihm den gerade fertig gerollten, noch speichelfeuchten Joint hin.
    Roetgen zündete ihn an, achtete aber darauf, so wenig zu inhalieren wie möglich. Er sah sich schon vom Schwindel ergriffen, sein Inneres nach außen kehrend, ein menschliches Wrack, dem Elend preisgegeben überm Straßengraben. Zugleich war ihm die Vorstellung ein Gräuel, die Mädchen könnten ihn als Simulanten entlarven oder ihm vorwerfen, dass er in seiner Unerfahrenheit die kostbaren Züge verschwendete. Er nahm es Moéma übel, dass sie ihn in diese verzwickte Lage brachte.
    Dann aber schlug er sich ganz wacker; entweder gelang es ihm, sie zu täuschen, oder sie waren intelligent genug, und sein Misstrauen war fehl am Platze gewesen.
    »Auf geht’s«, sagte Moéma, als sie den Joint übernahm. »Das Schlimmste steht uns noch bevor.«
    Während der Wanderung – die Sonne stand senkrecht, so dass sie so gut wie keinen Schatten warfen – versuchte Roetgen sich mit Thaïs bekannt zu machen. Die schien aber keinen Hang zur Konversation zu haben; ihre Einsilbigkeit entmutigte ihn, und er verstummte. Nach zehn Minuten war er klatschnass.
    »So eine Hitze!« Er fuhr sich mit dem Taschentuch durchs Gesicht.
    »Du hättest Sandalen anziehen sollen«, sagte Moéma mit einem raschen Blick auf seine Schuhe. »Das ist sicher das erste Mal, dass ich jemanden in Schuhen und Strümpfen zum Strand gehen sehe …«
    »Der ist ja unglaublich!«, rief Thaïs, plötzlich heiter angesichts dieser Unmöglichkeit. »Das hatte ich noch gar nicht bemerkt.
Meu Deus
, das muss ja kochen dadrin!«
    »Kochen ist gar kein Ausdruck!« Roetgen musste selbst lachen. »Aber ich darf um ein wenig mehr Respekt vor meinen Füßen bitten, immerhin bin ich Professor, trotz allem!«
    »Ein Professor, der mit seinen Studentinnen
Maconha
raucht … Das dürfte ein ganz schönes Gerede geben«, meinte Moéma verfänglich.
    Roetgen begriff, wie leichtsinnig er war. Moéma sagte das scherzhaft, aber sollte sie irgendwann, aus welchen Gründen auch immer, beschließen, ihn zu verraten, wäre es mit seiner akademischen Karriere aus und vorbei. Kurz blitzte Panik in seinem Blick auf.
    »Aber keine Sorge.« Sie war nun wieder ernst. »Das würde ich nie tun, was auch passiert. Außerdem könntest du sagen, es ist gelogen: Dir wird man immer eher glauben als uns.«
    »Das will ich hoffen«, sagte er. Und um das Thema zu wechseln: »Ist ja nicht viel los auf dieser Straße! Keine Menschenseele seit einer halben Stunde …«
    »Warte, bis wir oben angelangt sind, dann siehst du, warum.«
    Als sie auf die Anhöhe am Rand des flach wirkenden Geländes gelangt waren, entdeckte Roetgen zu seiner Überraschung eine ganz andere Landschaft: Immer noch schnurgerade, fiel die Straße sacht zu einer Hürde aus hohen Dünen ab, in denen sie schlicht und einfach verschwand.
    »Das war die Straße nach Majorlândia«, erklärte Moéma. »Vor drei Jahren haben die Dünen sie verschlungen. Die bewegen sich hier sehr rasch. Aber uns braucht das nicht zu stören, wir wollen dort ja gar nicht hin.«
    »Unglaublich«, sagte Roetgen, »wie mitten in der Sahara … Bist du sicher, dass wir hier lang zum Meer kommen?«
    »Todsicher, wart’s ab!«
    Sie wanderten bis zu der Stelle, wo die Straße in den steilen Dünen verschwand. Aus der Nähe gesehen, war der Anblick noch erschreckender; als hätte jemand willentlich einen Berg von Sand dort ausgekippt.
    »Und jetzt?«, fragte Roetgen, der in dieser Sackgasse nicht wusste, wo weiter.
    »Immer geradeaus.« Moéma deutete die Düne hinauf. Und mit

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