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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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wie möglich & ohne ein Wörtchen verlauten zu lassen, um dem Befehl meines Meisters Folge zu leisten. Dieser schien sofort mein Problem zu erkennen.
    »Oh, verzeih mir, Caspar«, sagte er und stand seinerseits auf, »ich vergaß jenes Bruchleiden, das dir allzu bequeme Sessel nicht erlaubt. Nimm meinen Stuhl, dort wirst du besser sitzen.«
    So setzte er sich auf den Sessel, den ich eben geflohen war, ohne im Geringsten zu leiden zu scheinen. Ich bewunderte die Charakterstärke, die ihm gestattete, eine Folter zu erdulden, der ich keine fünf Sekunden standgehalten hatte. Auch der Stuhl, worauf ich jetzt saß, war nicht ohne Tücken: Die Vorderbeine waren kürzer als die anderen, & man drohte von ihm hinabzurutschen, wenn man nicht die Muskeln der Beine anspannte und so den Sturz verhinderte. Die nach vorn geneigte Rückenlehne machte diese Haltung noch unbequemer, doch verglichen mit meinem Sessel befand ich mich hier wie auf Rosen gebettet, & ich war Kircher dankbar, dass er diesen so ungerechten Tausch vorgeschlagen hatte.
    »Doch zurück zu unseren Scharaden!«, so fuhr mein Meister fort. »
Legendo metulas imitabere cancros
 … Hoho, diesmal Latein, & vom Besten! Du bist dran, Caspar …«
    In diesem Augenblick erschien der Lakai erneut wie von Zauberhand, und zwar hinter uns; er kündigte den Fürsten Palagonia an. Ich war durchaus nicht unfroh, diesen Folterstuhl zu verlassen. Der Fürst kam bereits auf uns zugehumpelt; ein kleiner, sehr hagerer Mann, höchstens fünfzig Jahre alt, doch seine schlecht gekämmte graue Perücke & mehrere üble Zähne ließen ihn aussehen, als stünde er sozusagen am Rand des Grabes. Er trug einen recht düsteren & eher staubigen grünseidenen Anzug, wie ein Mann, der sich wenig um seine Kleidung sorgt.
    »Gutt, gutt, gutt, das ist serr gutt. Mein unwurdiges Haus ist stolz uber Eure Gegenwart …«, sagte er zu Kircher in jenem schlechten Deutsch, das zu gebrauchen er bis zu unserer Abreise als seine Pflicht erachten sollte.
    Mein Meister verneigte sich, ohne die Höflichkeit des Fürsten zu erwidern.
    »Gutt, noch ville besser so. Ich liebe Männer das nicht machen falsche Bescheidenheite, vor allem wenn Mittel besessen zu tun es. Doch kommen, kommen, ich mussen mir entschuldigen, & sehen, besser als redden …« Während er das noch sagte, geleitete er uns durch eine weitere verborgene Türe aus dem Raum und durch einige Gänge. So gelangten wir in eine, wie mir schien, reich ausgestattete Bibliothek, deren Tür er hinter uns sorgsam mit dem Schlüssel verschloss. Sodann trat er an ein Bücherbord und schickte sich an, den
Goldenen Esel
des Apuleius herauszunehmen – daran erinnere ich mich, denn ich konnte nicht erkennen, warum er uns nun auf einmal mit diesem Autor unterhalten wollte –, doch löste diese Hantierung einen Mechanismus aus, durch den sich inmitten der Bücher ein Fensterlein öffnete und den Blick auf die Rückseite eines Gemäldes erlaubte. Der Fürst forderte Kircher auf, das Auge an eine winzige Öffnung zu halten. Mein Meister folgte dem & überließ mir nach wenigen Sekunden seinen Platz.
    »Amüsant, aber primitiv«, so sein Kommentar, ohne dass die Muskeln seines Gesichts anderes zu erkennen gegeben hätten als tiefste Gleichgültigkeit.
    Ich blickte meinerseits hindurch. Durch dies Guckloch sah man in den Raum, in dem wir uns zuvor aufgehalten hatten.
    »Begreifen«, fuhr der Fürst fort, »dass ich zeigen das per Aufferichtigkeit & zu beweisen Euch wie sehr ich schätze Euer Lebensart. Ich präsentiere Euren alle meine Entschuldigungen für diese kleine Examination. Dieses mir erlaube zu beurteilen menschliche Redlichkeit, & Ihr seid Erste, die bestehen. Glauben mir, mich sehr beeindruckt Eure Kapazitäten, aber vertraue Euch dass nicht weitersagen meine kleine Geheimnis.«
    Kircher beruhigte ihn, wir würden nie und wem auch immer diese Vorrichtung enthüllen, & bestätigte, der Verdacht des Fürsten sei durchaus begründet: Die menschliche Heuchelei sei sonder Grenzen, & wer nicht Zeit mit den Leuten verlieren wolle, der wähle besser umsichtig aus, mit wem er zu tun hat.
    »Gutt, gutt, gutt …«, nickte der Fürst. »Ihr mir erlauben zu gluckwunschen fur Entzifferung von schmuckenden Rätseln. Dies bezeugen ein großes Wissen, nie gesehen zuvor. Aber wir reden nachher. Bitte aufsuchen zunächst Eure Bewohnung & ausruhen dort ein wenig Euer Elend. Wir uns sehen zum Mittagsmahle, wenn Ihnen behagen.«
    Athanasius neigte

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