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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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war & dass seine Beharrlichkeit vielleicht am Ende sogar Früchte getragen hätte. Der Zufall, oder die Vorsehung, wie Ihr es wollt, ersparte mir diesen Verrat, jedoch nicht die Schande. Als nach einem Abendessen der Fürst angeblich zur Ruhe gegangen war, unter dem Vorwande, er habe das genossene Mahl allzu reichlich begossen, gab sich mein Cousin, vom Weine befeuert, rauschhaften Bekundungen hin, die er sonst zu bezwingen wusste. Er flehte mich an, ihm einen Kuss zu schenken, & da ich ihn verweigerte, drohte er mir, er werde sich auf der Stelle umbringen; er war ein Mann, dem man so einen Wahnsinn ohne weiteres zutraute, so dass mich die Vorstellung erschreckte. Ich verteidigte mich weniger … er umschlang mich & nutzte die Gelegenheit, um mir jenen Kuss zu rauben, der ihm so sehr am Herzen zu liegen schien. Und dies war der Moment, in dem mein Gatte uns überraschte. Er sprach kein Wort aus, doch die Kälte & Grausamkeit, die ich in seinen Augen las, ließ mir das Blut sehr viel mehr stocken, als wenn er gewütet hätte. Er läutete nach den Dienern, ließ meinen Cousin aus dem Raum schleifen & sperrte mich in mein Zimmer, ohne jede Möglichkeit, mich zu rechtfertigen.
    Seit jenem verhängnisvollen Abend lebe ich wie in einem Kloster in diesem Palast eingesperrt, den mein Mann zum Gefängnis verwandelt hat. Von meinem Cousin habe ich nie wieder etwas gehört, ich weiß jedoch, dass er nicht nach Bayern zurückgekehrt ist, & kann nicht umhin, die schlimmsten Befürchtungen über sein Schicksal zu hegen. Drei Monate darauf begannen Arbeiter, die Mauern um unseren Park höherzuziehen & auf ihnen diese grauenhaften Statuen anzubringen, die mich ständig an meine angebliche Sünde gemahnen sollen. Aber das ist noch gar nichts gegen die besondere Grausamkeit, die er mit hat einfließen lassen: Wenn Ihr Euch diese Statuen aus der Nähe anschaut, werdet Ihr bemerken, dass viele davon Musiker darstellen; alles an ihnen ist grotesk, entstellt, monsterhaft … alles außer dem Gesicht, stets demselben, es ist ruhig & engelsgleich, als wäre es überrascht, sich in einer solchen Gesellschaft wiederzufinden. Dies Gesicht …« – und die Fürstin wischte sich rasch eine dicke Träne von der Wange – »ist das meines Cousins …«
    Tief in meinem Inneren hatte ich bereits für diese Unglückselige Partei ergriffen & bemitleidete sie für ihr Ungemach derart, dass ich meinen Seufzern freien Lauf ließ. Die Perversion ihres Mannes raubte mir die Worte. So nahm ich denn zitternd ihre Hand und drückte sie fest, das einzige Mittel, das mir geeignet schien, sie ein wenig zu trösten.
    »Entschuldigt mich bitte«, sagte sie, indem sie mir mit einem blassen Lächeln dankte & ihre Hand langsam zu sich nahm, »aber ich muss mich zur Ruhe begeben.«
    Sie reichte mir ihren Arm, & ich begleitete sie zur Tür. Da sie sich noch vorsichtiger bewegte als zuvor, meinte ich, sie würde möglicherweise gleich ohnmächtig werden, & so fragte ich sie, ob sie sich kräftig genug fühle, allein weiterzugehen.
    »Seid unbesorgt«, murmelte sie mit kindlichem Lächeln, »das ist nur jenes kristallene Clavicembalo, das in meinem Bauch etwas stärker zittert als sonst. Alle Eile würde Gefahr bedeuten, dass es zerbirst, & die ganze Kunst des Pater Kircher würde nicht genügen, mich vor einem schrecklichen Tod zu bewahren …«
    Mit diesen Worten verabschiedete sie sich und hinterließ mich in einem Zustand nahe der Blödigkeit.

Alcântara
    Euclides am Klavier, als regelte er den langsamen Lauf der Gestirne.
    Einige Tage vergingen, ganz der Arbeit an Caspar Schotts Text und kurzen, aber regelmäßigen Kontakten zu Loredana gewidmet. Trotz ihrer Voreingenommenheit hatte Soledade die Italienerin sofort adoptiert, beziehungsweise, dachte Eléazard, war sie genauso wie er durch ihre Natürlichkeit für sie eingenommen und durch ihre typische Art, sich für alles zu interessieren, für Lebewesen wie für Dinge, unterschiedslos. Sein Angebot, bei ihm einzuziehen, hatte sie nicht annehmen wollen –
Wer weiß wie viele Zimmer sind ungenutzt
, hatte er ohne jeden Hintergedanken gesagt,
dann würdest du wenigstens die Hotelkosten sparen, entscheide selbst
 … –, doch an der Praço do Pelourinho vorbeischauen zu dürfen, wann immer sie wollte, das hatte sie beim Wort genommen und nutzte die Bibliothek oder die Dusche, die wenigstens einigermaßen funktionierte. So begegnete er ihr dann und wann zufällig im Haus, wenn sie kam oder

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