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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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bejahend das Haupt, & ein Diener führte uns in unsere Räume. Sie waren geräumig & komfortabel. Wir fanden dort all unser Gepäck sowie anmutig arrangierte Blumen, eine trinkfertig bereitete Flasche Malvasier & kristallene Gläser. In einer geöffneten Schatulle fanden wir chirurgisches Material, uns zuvorkommend zugedacht zur Behandlung der während der Wartezeit erlittenen Verletzungen. Als ich meinem Meister nahelegte, es doch zu verwenden, da er doch so lang den Qualen jenes Sessels ausgesetzt gewesen, lehnte er dies ohne weiteres ab. Stumm vor Verwunderung ob solchen Stoikertums sah ich, wie Kircher seine Kutte anhob, einige Bänder löste und ein Stück dicken Leders hervorholte, ein so listig angebrachtes, dass man es von außen nicht sah.
    »Oh ja, mein Freund«, und Kircher nahm mich zärtlich bei der Schulter, »die Gerüchte bezüglich des Fürsten hatten mich besorgt gestimmt, so dass ich weitere Erkundigungen einholte und … einige Vorsichtsmaßnahmen traf. Verzeih mir, dass ich dich über diese Vorkehrungen in Unwissenheit beließ, doch man musste wirklich an unser Zutrauen glauben. Ich vermutete schon, man würde uns beobachten, & du hast diesem Zweck mit der dir eigenen Unschuld und deinem Mut höchlichst gedient. Ich wollte dir nur den schrägen Stuhl zumuten, doch du setztest dich spornstreichs auf den schlimmsten Sessel … Wisse, dass ich deine Reaktion aufrichtig bewundere.«
    »Und die ganzen Rätsel, die Bilder?«
    »Ja, Caspar, ja … Auch da hatte ich meine Lektion gelernt, um nicht so kurz vorm Ziel noch Fehler zu machen. Doch frage mich nicht, es ist noch zu früh, um dir das Wozu zu enthüllen. Ich bitte dich um ein wenig Geduld, & du wirst selbst erkennen, wie gerechtfertigt diese Heimlichtuerei ist.«
    Ich versicherte Athanasius meines vollkommenen Gehorsams & begann meine Dinge unterzubringen. Man kann sich vorstellen, wie beeindruckt ich war vom Geschick meines Meisters & seiner Art, alles so einzurichten, dass es seinen Zielen dienlich war! Seine Unternehmung musste von großer Wichtigkeit sein, so schwor ich mir selbst, ihm bei seinen Plänen bestmöglich zu dienen. Meine Sorgen bezüglich des Fürsten & dieses Hauses waren verschwunden, & ich brannte darauf, an diesem unerwarteten Abenteuer mitzuwirken. Mein Meister ruhte auf seinem Bett, mit gesträubtem Bart und geschlossenen Augen, düster & großartig wie eine marmorne Grabfigur. Beinahe wäre ich vor ihm niedergekniet, so sehr imponierten mir seine Seelenkraft & Intelligenz.
    Gegen Mittag erschien ein Diener & führte uns ins Speisezimmer, wo der Fürst & seine Gattin uns an einem mit erlesenem Geschmack gedeckten Tisch erwarteten. Fürstin Alexandra, der uns ihr Gatte vorstellte, war von bewundernswürdiger Schönheit & einer Jugend, die so gar nicht zu der abgelebten Wirkung ihre Mannes passen wollte. Blondes, zu einem komplizierten Knoten gewundenes Haar, blaue Augen, kleiner & roter Mund, hinreißend gekleidet in Seide & Organdy, sah sie aus wie eine direkt vom Olymp herabgestiegene Gottheit. Anders als ihr Mann äußerte sie sich in perfektem Deutsch, das sie, so erfuhren wir hernach, ihren bayrischen Wurzeln verdankte. Noch ihre Bewegungen waren höchst distinguiert; so schritt sie mit äußerster Langsamkeit daher, als liefe sie bei jeder jähen Bewegung Gefahr, dass das Haus über ihr zusammenbreche. Doch verlieh diese Merkwürdigkeit ihr nur noch mehr Grazie, & ich errötete und war unfähig zu sprechen, jedes Mal, wenn sie die Augen auf mich richtete.
    »Gutt, gutt, gutt …«, setzte der Fürst an, während die Diener sich eilfertig um uns zu schaffen machten und den Tisch mit den erlesensten Speisen deckten. »Bitte, wollen Ehre erweisen diesem geringen Mahl.«
    Taub für diese Aufforderung, erhob Kircher sich, um den Tischsegen zu sprechen, & nicht genug dieser Schroffheit, hielt er sich lang mit dem Brotsegen auf. Ich sah, dass unser Gastgeber mit dieser Zeremonie nicht vertraut war & ein wenig ob der Freiheit, die mein Meister sich herausnahm, zürnte.
    »Darum wir haben das Brott vor uns«, meinte er heimtückisch, »könnt Ihr mir sagen, hochwurdiger Vater, ob sein Gewicht ist mehr leicht bei Extraktion aus Offen, wenn warm ist, denn wenn kalt?«
    »Nichts ist leichter zu zeigen als das«, antwortete Athanasius und begann zu essen, »wenn man denn selbst das Experiment durchgeführt hat. Das Brot ist schwerer, wenn es warm ist & aus dem Ofen kommt, als wenn es erkaltet ist. Ein halbes

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