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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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Pfund gegangener Teig ist zwei Unzen & eine Viertel leichter, wenn gebacken denn wenn ungebacken, & noch leichter, wenn abgekühlt. Was zeigt, dass die Meinung derer falsch ist, die da sagen, es sei ungebacken leichter. Und man dürfte nie etwas schreiben noch sich auf Experimente berufen, als wenn diese wahrhaftig sind, zumal wenn sie so leicht zu führen sind wie das Letztere. Sogar Aristoteles ist bisweilen dem Irrtum unterworfen: Im fünften Problem der ein & zwanzigsten Sektion seiner Physik gesteht er, dass das kalte gesalzene Brot leichter ist als das heiße, & dass dasjenige, welches nicht gesalzen ist, schwerer sei. Ein einfaches Experiment hingegen hat mir gezeigt, dass diese beiden Brote stets von demselben Gewichte sind, kalt wie heiß, ob man sie nun salzt oder nicht.«
    »Vortrefflich, mein Lieber, vortrefflich!«, sagte der Fürst, an einem Hühnerbein lutschend. »Nicht hatte ich anders erwartet von Euch …«
    Fürstin Alexandra wandte sich zu mir und begleitete ihre Worte mit der dazu passenden Geste:
    »Diese Herren sind mir zu gelehrt. Und ob es nun schwerer ist oder leichter, ich gebe zu, das ist mir einerlei: Ich mag es am liebsten mit Butter.«
    »Womit Ihr vollkommen recht habt!«, bestätigte mein Meister und bediente sich ebenfalls.
    Ich meinerseits senkte die Nase über meinen Teller.
    Die Mahlzeit fuhr in diesem scherzhaften Tone fort. Weine & Gerichte folgten einander ununterbrochen, & Athanasius sprach ihnen wacker zu, zur Freude unserer Gastgeber. Als man dicke Scheiben gebratenen Schwertfischs auftrug, bat mein Meister mich, unser Abenteuer aus Messina zu schildern. Zwar war ich höchst schüchtern, schilderte aber dennoch unseren Fischzug in allen Einzelheiten, wobei ich freilich die verfängliche Episode ausließ, die Kircher mir gebeichtet hatte. Als ich zum Abschlachten der Fische kam, erregte ich mich bei dieser schaurigen Erinnerung derart, dass der Fürst über meine Empfindsamkeit lachen musste. Seine Gattin jedoch war blass geworden … Ohne ein Wort legte sie kurz die Hand auf meine, & ich ersah daraus, das sie meine Empfindung teilte. Der Fürst bemerkte diese Geste, so flüchtig sie auch war, & erstarrte jäh.
    Als Verdauungstrunk reichte man uns einen gar bitteren Likör, aus Bergkräutern hergestellt, so sagte der Fürst. Dieser wirkte sehr echauffiert; er plagte meinen Meister immer weiter mit seinen Fragen. Dann schien der Fürst kurz zu zögern, sagte Athanasius einige Worte ins Ohr, & sie entfernten sich ans andere Ende des Salons, wo sie ihre Konversation leise weiterführten.
    Nunmehr mit der Fürstin allein, wusste ich nicht, wie mich verhalten, so sehr berührte mich ihre Schönheit. Ich stellte ihr einige Fragen zu Gott & der Natur der Seele, die sie intelligent und klug beantwortete, doch da das Thema sie kaum zu begeistern schien, lenkte ich das Gespräch stattdessen auf die grimassierenden Statuen, die wir durch die Fenster hindurch erblickten, und bat sie, mir deren Bedeutung zu erklären. Sie wurde abermals ganz blass & schien zu schwanken, bevor sie mir antwortete.
    »Ihr scheint mir ein vertrauenswürdiger junger Mann zu sein, & ich will Euch gern eine Geschichte erzählen, angesichts deren ich nicht zu erröten brauche, doch die Grund sowohl dieser Ungeheuer als auch meines Unglücks ist … Ihr habt es vielleicht während der Mahlzeit bemerkt, mein Gatte ist von sehr eifersüchtigem Wesen; vor einer Reihe von Jahren, nur wenige Monate nach unserer Hochzeit, gab ich ihm unwillkürlich Grund dazu. Einer meiner Cousins, Ödön von Horvath, kam mich in diesem Hause besuchen. Er tat sich als Komponist von Melodien für Laute und Spinett hervor, & an dies unschätzbare Talent reichte nur noch seine Schönheit heran. Da wir in demselben Alter waren & meine Interessen den seinen näher als denen meines Gatten, war ich sehr glücklich über diesen Besuch, & wir verbrachten ganze Tage damit, gemeinsam Musik zu machen und über aller Arten Gegenstände zu sprechen. Ich hörte ihm gern zu, wenn er vom Lande meiner Herkunft & den geliebten Menschen sprach, die ich dort zurückgelassen hatte. Doch ach, in seiner Jugend & Einsamkeit entbrannte er in leidenschaftlicher Liebe zu mir & gestand mir dies in so aufrichtigen & zartfühlenden Worten, dass es mich berührte. Ich hegte für ihn nur dieselbe Zuneigung & Zärtlichkeit wie eine Schwester für ihren Bruder, doch muss ich gestehen, dass ich im Verborgenen von seiner Begeisterung geschmeichelt

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