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Wo wir uns finden

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Titel: Wo wir uns finden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Findeis
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Du bist Frank? hat sie gesagt, und als ich ihr die Hand geschüttelt hab, hab ich einen Ständer bekommen und nur hoffen können, sie sieht es nicht, und sie hat gesagt: Ich bin Anna – Hausmädchen aus Leidenschaft, und gelacht.
    Grams bückte sich und holte eine Sektflasche hinter dem Schreibtisch hervor, löste den Draht und ließ den Korken aus der Flasche knallen. Unentwegt sah er Karl an und sagte: Ja, hab ich gedacht, mehr nicht – ja! und reichte Karl die Flasche.
    Der Himmel zog sich zu, Regen fiel, das Geräusch der Tropfen auf dem Vordach unter dem Fenster, an dem sie standen und tranken. Karl war hungrig und dachte wieder an den Körper des Maulwurfs, wie er durch die Luft geflogen war, die Vorderläufe mit den Schaufeln von sich streckend, als könnte er sich festhalten an der Luft; und ein letztes Paar ging den Weg durch den Vorgarten entlang, stieg in seinen Wagen und fuhr davon.
    Sie wollen zu Annas Tante nach Karlsruhe – glaubt kein Mensch, sagte Grams.
    Ich dachte, sie ist aus dem Osten, sagte Karl.
    Sag ich ja, sagte Grams.
    Der weiße Alfa Romeo hielt vor dem Haus. Dix ließ den Motor laufen, stieg aus und stützte sich auf das Wagendach, mit Zeigefinger und Ringfinger tippte er sich an die Stirn und nickte ihnen zu, er lächelte. Dass Dix Oberarme habe wie Grams Schenkel, dachte Karl und hörte Grams flüstern, verstand aber nichts von dem, was er sagte. Grams trank die letzten Schlucke aus seiner Sektflasche, rülpste laut und lang, griff die Flasche am Hals und warf sie weit ausholend wie eine Handgranate aus dem Fenster. Neben Dix’ Wagen schlug sie auf und zersprang, die Scherben verstreuten sich fächerförmig über die Straße. Dix sah hoch zu ihnen, als verstünde er nicht, blickte auf die Scherben und wieder zum Fenster.
    Kacke, vorbei, sagte Grams und wollte Karl die halb volle Flasche aus der Hand nehmen, als sein Vater mit einem deutschen Schäferhund ins Zimmer trat, die Flasche betrachtete und sagte: Du weißt, der Samstag ist dein Tag, um mit dem Hund zu gehen, nimm deinen Freund doch mit und geh mit ihm auf die Heide.
    Dem Hund hing die Zunge aus dem Maul, er wedelte mit dem Schwanz, er freute sich. Karl hörte Annas Stimme von draußen durch das geöffnete Fenster: Komme! rief sie, ihre Schritte, die sich entfernten. Grams’ Vater zog einen Zehn-Mark-Schein aus der Hosentasche und legte ihn auf den Lautsprecher neben der Tür: Kauft euch eine Bluna und ein Schmalzbrot – ihr habt ja beide nichts gegessen.
    Der Alfa Romeo wurde angelassen und fuhr davon. Grams’ Vater stand weiter in der Tür und rührte sich nicht: Ich weiß, das bisschen, das du isst, kannst du auch trinken – aber trotzdem, sagte er und lächelte.
    Erst als Grams ihm die Leine aus der Hand nahm und sagte: Ja, Papa, ging er aus dem Zimmer. Der Hund legte den Kopf schräg und betrachtete Karl: Wie heißt er denn? fragte der.
    Ist doch egal, sagte Grams.
    Grams war nicht zur Schule gekommen.
    Köter aus dem Donnerhügel schüttelte den Kopf und sagte: Ach, armer Yorick!
    Karl sagte: Klobbe – Klobbe heiß ich.
    Und Köter lachte und sagte, dass Grams der Pisser noch einen Deckel aufhabe von Samstagabend, seitdem aber nicht da gewesen sei.
    Nach drei Tagen holte die Polizei Karl aus dem Unterricht und befragte ihn. Er sagte, er habe Grams seit diesem Samstag auf der Heide – als sie Stöckchen für den Hund geworfen hatten – nicht gesprochen, nicht gesehen, nicht gehört.
    Am Nachmittag saß Karl auf dem Rathausplatz und wartete, während er die Kunden der Volksbankfiliale beobachtete, den Blick in die Schalterhalle, betraten sie die Bank. Die elektrische Tür schob sich auf wie ein Vorhang, er träumte von dem vielen Geld im Tresorraum und wofür er es ausgeben könnte. Mit dem Zug fuhr er nach Friedberg. Eine Gruppe Ausscheider saß ihm schräg gegenüber, sie sangen im Chor: Kiste, ABC -Alarm, duda, duda. Kiste, ABC -Alarm, dudadudadei! An den Aufschlägen ihrer Uniformjacken trugen sie Fantasieorden, die Dienstgrade an ihren Schulterklappen reichten bis zum Brigadegeneral, ein Stück Stoff mit der Aufschrift »Feldmarschall Fritzle Apfelsaft« hatte einer mit Sicherheitsnadeln über seinem Namensstreifen an der Brust befestigt. Sie lagen sich in den Armen, jeder hatte ein Bier in der Hand, eine Flasche Jägermeister ließen sie kreisen, ihre glasigen Augen blickten stumpf in die Ferne, als sie sangen: Wir haben die Schnauze voll, und wir wollen nach Haus. Ja, wir wollen nach Haus. Wir haben die

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