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Wo wir uns finden

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Titel: Wo wir uns finden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Findeis
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Hause gekommen bin?
    Der weiße Alfa Romeo hielt auf der gegenüberliegenden Straßenseite, und Dix stieg aus. Karl betrachtete den kleinen, kräftigen Mann, der über den Kotflügel seines Wagens strich, wie man einem Pferd über die Flanke streicht.
    Zielperson eingetroffen, sagte Grams und malte mit einem imaginären Stift ein Häkchen in die Luft: wenn er abends nicht Anna abholt und ins Kino ausführt, geht er einen trinken im Fischerstüble am Bahnhof, sagte Grams: heute müsste Anna wieder dran sein – Inge leiht mir zur Verfolgung ihr Moped.
    Du hast doch gar keinen Führerschein, sagte Karl.
    Brauch ich nicht, sagte Grams.
    Inge brachte einen Teller mit Wurstbroten ins Wohnzimmer, gab Karl ein Bier und fuhr fort, ihre Puppen für die Nacht umzuziehen. In einer Schuhschachtel hatte sie die Schlafanzüge und Nachthemden bereitliegen. Die Kleidchen legte sie zusammen und verstaute sie in einer anderen Schuhschachtel. Sie summte die Melodie von Somewhere Over the Rainbow , während sie mit der Genauigkeit und dem Rhythmus einer Fließbandarbeiterin arbeitete, dabei mit einer Vorsicht die Puppen behandelte, als könnte sie ihnen wehtun.
    Ich find schon irgendwas, sagte Grams.
    Das ist doch ein ganz stinknormaler Typ, sagte Karl.
    Ich krieg den dran irgendwie, sagte Grams.
    Die Laterne, unter der Dix seinen Wagen geparkt hatte, flackerte auf und erlosch. Das Ploppen der geplatzten Leuchtstoffröhre war bis in das Zimmer zu hören gewesen. Grams schrie auf, rannte einmal um den Sessel, setzte sich wieder und brannte sich die nächste Zigarette an.
    Wenn das nichts heißt, sagte Grams und zog mit dem Zeigefinger sein Augenlid runter: irgendwas wird heute passieren.
    Karl sah sich um im Raum – die Schatten verloren sich in der spärlichen Beleuchtung – und stellte sich Grams vor, wie er im Dunkeln hier saß die ganze Nacht, wie Inge ihm einen blies und er dabei an Anna dachte. Inge hatte alle Puppen umgezogen, stand auf und ging aus dem Zimmer. Aus dem Inneren der Wohnung hörte er die Klospülung. Inge fixierte ihn, als sie zurückkam ins Zimmer.
    Die schmeißen dich von der Schule, sagte Karl.
    Ist mir egal, sagte Grams.
    Mir aber nicht, sagte Karl, und Grams sah ihn kurz an und nahm sich die nächste Roth-Händle aus der Packung auf dem Fenstersims und bot Karl eine an.
    Der war auch nur acht Jahre auf der Schule, sagte Grams.
    Und buckelt in der Gießerei, bis er in die Kiste springt, sagte Karl.
    Nicht schnell genug, sagte Grams.
    Wann fährt er denn Anna abholen? fragte Karl.
    Um halb acht immer, sagte Grams: ich nehm dich hintendrauf mit auf dem Moped.
    Er zeigte auf Inge und sagte: Sie ist auch mal mitgefahren – ging gut.
    Inge lächelte. Karl erkannte, dass sie keine Zähne mehr im Mund hatte. Sie blickte ihn an, als sei sie ein junges Mädchen, das wartet, aufgefordert zu werden zum Tanz. Ihr Mund wie ein Loch, schwarz und rot und glänzend. Karl blickte an Grams vorbei auf den Wagen, der, von den angrenzenden Laternen angeleuchtet, zweidimensional wie eine Fotografie wirkte. Er hörte, wie Inge eine Sprudelflasche öffnete, sich eingoss – das Geräusch der Kohlensäure im Glas – und trank und aufstoßen musste.
    Hast du dein Stiletto dabei? fragte Karl, und Grams nickte.
    Atemlos ging er mit dem Springmesser in der Hand über die Straße, den Blick nur auf die Reifen des Alfas gerichtet. Er wusste, wenn er sich jetzt umsah, in den erleuchteten Fenstern der Häuser einen Beobachter zu erkennen versuchte, würde er umdrehen und zu Grams und Inge zurückkehren in das ungelüftete und überheizte Wohnzimmer, dann würde er jeden Tag nach der Schule hierhin zurückkehren, und Inge würde ihre Zähne in ein Glas Wasser im Bad legen und ihn erwarten. Und Dix würde beim Abendessen sitzen, seiner Mutter von seinem Tag in der Gießerei erzählen, von dem Film, den er sehen wollte mit Anna am Abend – lächelnd beim Gedanken, dass sie keine Unterwäsche tragen würde, während er die Schweinskoteletts zerkaute, die ihm seine Mutter kaufte und briet. Und Grams spannte hinter Inges gelber Gardine hervor, wurde bleicher und schwächer, sein Husten immer stärker. Karl sah den Ausdruck in Dix’ Gesicht vor sich, wie er aus der Haustür trat und vor seinem Wagen stand, die Glocken der Michaelskirche am Ende der Straße schlugen, er war zu spät, um Anna abzuholen, er hatte nur einen Ersatzreifen. Karl ließ die Klinge aus dem Heft springen und kniete sich neben den Kotflügel. Während er das verflüchtigte

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