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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Magén
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deine Mutter ehren, auf dass du lange lebest auf Erden.« Sein Blick, den er zu ihr hob, war flehend, als fürchte er mehr um ihr Wohlergehen und um ihre Abrechnung mit dem Himmel, als um die Ehre seines Vaters.
    »Richte der Familie Schajnbach das Beileid von Rivka aus, sie ruhe in Frieden.« Sie zog eine Zigarette aus der Schachtel, die auf der Theke lag, und steckte sie unangezündet zwischen die Lippen. Nachman verstand genau, was diese Zigarette ihm sagen sollte, nämlich: Ich lebe mein Leben und ihr eures.
    »Gut … also …« Er wusste nicht, wie er mit Zigaretten reden sollte, senkte den Kopf und wandte sich zum Gehen.
    »Vielleicht möchtest du ein paar Schachteln Kekse undSaft mitnehmen, damit ihr etwas für die Schiwa habt.« Ich wollte ihn nicht ungetröstet gehen lassen, aber er lehnte ab. »Danke, das ist nicht nötig.« Seinen schwarzen Schuhen war anzusehen, dass er nicht gerade im Wohlstand lebte, ebenso seinem zerschlissenen Kragen. Er küsste die Mesusa und ging mit gesenktem Kopf davon, Richtung Bushaltestelle. Madonna stellte sich vor den Laden und schaute ihm hinterher, sie stieß dichten Rauch aus Nase und Mund, als wollte sie, dass der Rauch ihn einholte, ihn begleitete bis zur Familie Schajnbach, und ihr einen rußigen Gruß von ihr brächte. Sie fuhr sich wild durch die Haare und trat mit dem Fuß gegen die Steine des Gehwegs. Es war schwer vorstellbar, dass ihre schmalen Lungen fähig sein sollten, solche Massen Rauch auszustoßen, sie rauchte, als wäre in ihr ein Brand ausgebrochen und würde dichtes Gift aus ihrem Hals und ihren Nasenlöchern blasen, und sie rührte sich nicht von der Stelle, bis der Autobus an der Haltestelle ankam und Nachman mit sich nahm. Die Türen gingen zu, und sie warf die Zigarette auf den Boden, trat sie mit dem Absatz aus, kam in den Laden, nahm das Brotmesser, setzte es am Ausschnitt ihrer Bluse an und schnitt einen Riss in den Stoff. Sie nahm ein Seelenlicht aus der Packung mit den Kerzen, zündete den Docht mit ihrem Feuerzeug an und brachte die Kerze ins Lager, wobei sie die Flamme mit der Hand schützte, und stellte sie auf den Rand des Waschbeckens.
    »So, bis dahin war es Rivka, jetzt ist es wieder Madonna«, verkündete sie, zog den Schminkbeutel aus ihrer Tasche, malte die Lippen schwarz an, betonte die Augenbrauen, tuschte die Wimpern, legte Rouge auf die Wangen, drückte etwas Gel aus der Tube und fixierte ihre Tolle, nahm dann noch ein Fläschchen Parfüm und betupfte ihren Nacken.
    »So. Rivka ist wieder in die Hölle zurückgekehrt, sie hat nichts zu tun mit Rafael Schajnbach, es geht ihr am Arsch vorbei, ob er lebt oder gestorben ist.« Sie prüfte ihr Aussehen in einem kleinen Spiegel, den sie in der Schublade unter der Theke aufbewahrte. »Weißt du was? Die Verbrecher in der Hölle haben viel gelacht über Rivka, sie konnten einfach nicht glauben, dass man sie wegen einer einzigen Zigarette hingeschickt hatte, die sie am Schabbat geraucht hatte. Die Bösewichte in der Hölle kannst du dir nicht vorstellen, und ihr Vater schickte eine Siebzehnjährige dorthin, wegen einer Zigarette am Schabbat.«
    Eine Kundin betrat den Laden, fragte, ob die Milch frisch sei, und wühlte in der Kiste mit den Brötchen. Nach ihr kam Amjad, im roten Hemd des Billigmarkts, in seiner Pause auf einen Sprung vorbei und brachte sein Baguette gleich mit.
    »Du hast einen Riss in der Bluse«, sagte er zu Madonna.
    »Das ist jetzt Mode.«
    »Gott behüte, morgen werden sie mit zerrissenen Unterhosen herumlaufen. Wie geht’s?«
    »Alles in Ordnung«, sagte sie und drückte die Lippen zusammen, um den Lippenstift zu verteilen.
    »Gibt es etwas Neues?« Er schaute sich um und nahm einen großen Bissen Baguette, schaute auf die Uhr, kaute und schluckte.
    »Nichts«, sagte sie, ihre lackierten Fingernägel trommelten auf das Brotmesser und spiegelten sich in der glänzenden Klinge.
    Er ging ins Lager, um sich die Hände zu waschen, sah die brennende Kerze und fragte, ob das wegen der Schoah oder wegen der Gefallenen des Unabhängigkeitskriegs wäre.
    »Nicht jedes Leid hat mit der Schoah oder der Unabhängigkeitzu tun«, sagte sie, ganz Haut und Nerven. »Man kann auch eine Kerze für eine Katze anzünden, die überfahren worden ist, oder für einen Verrückten, der einem wehgetan hat. Wer kann es einem verbieten.«
    »Ist dir eine Katze überfahren worden? Welche? Diese kleine gelbe?«
    »Lass mich doch in Ruhe. Wie geht es den Vögeln?«
    »Sie wachsen. Jeden Tag ein

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