Wodka und Brot (German Edition)
Gießkanne um, zertrat Radieschen, Schatten und glänzende Glasscherben, bellte den Schrei des verlorenen Sohnes, warf sich auf Madonnas goldfarbene Sandalen, erhob sich auf die Hinterbeine und stellte die Vorderfüße an ihre weißen Oberschenkel. Siehob ihn hoch, Wodutschka, verrückter Kerl, umarmte ihn, mein Augenlicht, Wodka, küsste ihn, Gott sei dir gnädig, was für ein Wildling du bist, Wodka. Der Junge betrachtete sie von dem Bewässerungsgraben aus und ließ seine Augen zwischen Madonna und dem Hund hin und her flitzen.
Wodka begeisterte sich für ihr Kleid, leckte den dünnen Träger, biss in den spitzen Ausschnitt, kostete das Himmelblau. Sie hielt ihn, wie man ein Baby hält, das ein Bäuerchen machen soll, seinen Bauch an ihre flache Brust gedrückt, die Hände auf seinem Rücken, zärtlich und weich klopften sie auf seine Rippen, ihre kleine Handtasche sprang von rechts nach links, schwarz und glänzend wie die Augen des Hundes. Sie sah aus wie Holly Golightly aus ›Frühstück bei Tiffany‹. Ich klopfte mir an den Kopf, lass dich nicht von ihr und ihrem blauen Kleidchen täuschen, das ist die Betrunkene, die dir nachts in die Küche gefallen ist. Die Betrügerin, die dir einen Pyjama ins Bett des Jungen gelegt hat, die von dir Geld geliehen und dir dafür einen Hund gebracht hat.
Aber sie hatte heute Geburtstag. Es ließ sich nicht ignorieren, dass sie einmal auf die Welt gekommen war, und damals war ihr Sündenregister leer und sauber gewesen.
»Komm, hilf mir«, sagte ich zu Nadav, aber er war vertieft in das plötzliche Glück, das über uns hereingebrochen war.
Ich ließ die drei allein, wenn man den Alten nicht in Betracht zog, der am Fenster klebte und dessen Schatten durch das Gitter zu sehen war, und betrat das Haus. Ich ordnete die sieben Rogelech, die vom Schabbat übrig geblieben waren, auf einem Teller zu einem Kreis, und in den Kreis legte ich Mandeln und Rosinen und ganz in die Mitte einen Apfel, steckte eine Kerze hinein, zündete sie an, ging hinaus und sang: »Happy birthday to you …«
Madonnas Hände öffneten sich, und Wodka sank zuBoden, die schwarzen Lippen gingen zu, der Vogelschopf verbeugte sich.
»Das letzte Mal, als man meinen Geburtstag gefeiert hat, war ich sieben«, sagte sie zu den Rogelech. »Ich bekam einen Strauß halb verwelkter Gerbera, und die Kinder haben Blütenblätter aus dem Strauß gerupft, wie man Federn aus einem Huhn rupft.« Der Hund sprang an ihr hoch, der Wind ließ ihre Unterhose sehen, die kleine Tasche an ihrem Handgelenk sah aus wie eine schwarze Träne.
Plötzlich brach sie in ein kurzes, nervöses Lachen aus. »Es reicht, das ist keine Beerdigung.« Sie öffnete die Hände und den Mund und sang mit heiserer Stimme: »Madonna hat Geburtstag heut …« Los, Nadav, steh schon auf. Sie hielt ihm die Hand hin und zog ihn hoch, nahm ihn an beiden Händen und tanzte mit ihm im Kreis, und seine dünne Stimme mischte sich mit ihrer, als tanze er mit dem Geist Gottes. Die Kerze ergab sich dem Wind, tropfte etwas Wachs auf den Apfel und ging aus, der Hund versuchte, die Beachtung wiederzuerlangen, die man ihm genommen hatte, wälzte sich im Sand, bellte die Luft an. Der Alte hüstelte in seinem Fenster, der Rabe senkte sich Richtung Teller, und Madonna wedelte mit ihrer Handtasche und vertrieb ihn.
Der Junge war glücklich.
Ich führte die Geburtstagsgesellschaft zum hinteren Hof, zu einem Platz außerhalb der Sichtweite des Alten, und alle drei folgten mir, der Junge an Madonnas Hand und der Hund als Nachhut hinterher, als würde er eine imaginäre Schleppe tragen.
Ich wollte den Alten nicht von der Feier vertreiben, wie viele Feiern hatte er noch in seinem Leben, aber ich wollte mit Madonna über seine Angelegenheit sprechen.
»Suchst du eine Arbeit?«
»Da und dort. Wenn es sich ergibt. Wenn du damit eine regelmäßige Arbeit meinst, dann nicht. Ich halte das Arbeitsamt und die Sozialversicherung und das ganze Zeug nicht aus.«
»Unser alter Nachbar braucht jemanden, der ein bisschen für das Haus sorgt. Die Arbeit wird gut bezahlt.«
Sie brach in so heftiges Gelächter aus, dass ihre Haartolle erzitterte, die mit Gel zusammengeklebten Haare hüpften und rissen auf.
»Wenn du wüsstest, wie chaotisch ich bin, ich …« Sie lachte, aber nur ab der Kehle, ihre Schultern blieben starr. »Du kannst dich gut organisieren, wenn du willst«, sagte ich, als würde ich sie von irgendwelchen Wohltätigkeitsaktionen her kennen und als ob das,
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