Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Magén
Vom Netzwerk:
aggressiv, kämpfte darum, die Gesetze des Globus und uns zu besiegen, doch die Anzeichen des Saisonendes waren an allem zu erkennen, die Blätter der Rose wurden gelb, die Dornen vertrockneten aufrecht, Gurken gärten auf den Fensterbrettern als Rahmen für »Bereite selbst das eingelegte Gemüse für den Winter«. Die Zurechtweisungen aus unserem Briefkasten hörten nicht auf, dochdie zunehmende Feuchte der Nacht weichte das Papier auf und das, was darauf geschrieben stand. In den Höfen der Villen mit Kaminen stapelten sich, um sie zu erwärmen, Holzscheite wie in Europa, und wie in Europa würde der Rauch des verbrennenden Holzes aufsteigen und uns einen exquisiten pastoralen Eindruck verleihen. Doch noch war August, und wir waren im Mittleren Osten, sowohl die Villenbesitzer als auch wir, die Bewohner der einstöckigen alten Häuser, wischten den Schweiß von der Stirn.
    Schoschana und Etan packten ihre Sachen und Nadav betrachtete mit großen Augen die Kisten, die sich aufhäuften. Am Tag ihrer Abreise würden wir an die Türen seiner Altersgenossen klopfen und zugeben, dass wir Freunde suchten. Schoschana hatte uns drei Kinder empfohlen, sie hatte die Namen und die Telefonnummern aufgeschrieben und vorgeschlagen, zu vermitteln, aber wir wollten sie nicht behelligen, ihr Kopf war voller Pläne für den neuen Lebensabschnitt und damit, sich vom alten zu lösen. Und das, wovon sie sich zu lösen hatte, führte sie von ihrem Haus zu dem des Alten, sie brachte gewaschene Wäsche, sie fror gekochte Hühnerteile ein, sie schleppte saubere Bettwäsche an, haltbare Lebensmittel, Öl, Reis, Zucker, und ihr Vater stand in seinem Fenster und sah sie kommen und gehen, schwieg und rührte keinen Finger, um sie abzuwehren oder um ihr zu helfen. Was würden ihm gefrorene Schnitzel nützen, wenn niemand da war, der den Kühlschrank aufmachte und sie herausnahm, was würde ihm eine Flasche Öl nützen, wenn niemand den Korken herauszog. Sie nahm an, dass die Rettung früher oder später kommen würde, und inzwischen würde sie zweimal in der Woche von Herzlija herkommen, sauber machen, waschen, kochen, ihm die Medikamente in der Plastikboxherrichten, auf der die Wochentage angegeben waren, und sie würde ihm gut zureden, mit ihn schimpfen, schweigen, je nachdem.
    »Könnte ich dich darum bitten, mich anzurufen, wenn du etwas Außerordentliches bemerkst?«
    Sie notierte mir ihre neue Telefonnummer in Herzlija. Was sollte man bei diesem Mann etwas Außerordentliches nennen? Wenn er sich einen Strick um den Hals legte? Wenn er vom Fenster aus auf den Rasen herunterhing? Wenn er am Fenster stand und Kikeriki rief?
    Wenn man schon von Außerordentlichem sprach, auch mir fehlte es nicht daran, und das Dringendste war das Bankkonto, das den Direktor dazu brachte, zum Telefon zu greifen und uns mitzuteilen, dass sich das Minus wirklich nicht lohne, und wenn wir ein Darlehen bräuchten, käme uns die Bank entgegen, aber so, wie es jetzt sei, könne es zu seinem Bedauern nicht weitergehen. Er hatte recht. Seit der Billigmarkt gegenüber aufgemacht hatte, verkaufte der Laden nur noch Brot, Milch und Kaugummis, und ich war noch immer gefangen in dem heroischen Image, das ich mir aufgebaut hatte, als müsse die Welt mir alles bieten, als müsse die Welt mich loben, weil ich ein Diplom in BWL hatte und mich mit Brötchen und Margarine beschäftigte, Kisten hin und her schob, Käse aufschnitt und Oliven für alte Leute abwog, die Rheumatismus und abgewetzte Knorpel daran hinderten, die Straße zu dem großen Billigmarkt gegenüber zu überqueren. Es war nötig, meinen Bruder Jonathan, seine Frau Tamar und meinen Mann einzubeziehen, um zu entscheiden, ob wir den Laden als Denkmal für die erfolgreiche Existenz Channas und Jizchaks, zweier Überlebender der Schoah, erhalten sollten, ein Denkmal für ihrer Hände Arbeit, die ihnen Ehre machte, und fürihren bescheidenen Gaumen, der sich mit zwei Käsesorten zufriedengab, mit magerem und neunprozentigem israelischen Käse, und für den Ruhm des Staates Israel, und ob man den Friedensprozess weiterhin fördern und Amjad beschäftigen oder ihn entlassen sollte, oder ob man den Laden schließen, verpachten oder verkaufen und sich das, was nach dem Bezahlen der Schulden übrig blieb, teilen sollte.
    Und wo war Gideon in dem allen? Der Mensch hatte eine normale Existenz, einen Beruf, eine Frau, einen Sohn, eine Wohnung, und eines Morgens wollte er ein anderes Leben. Als wäre das Leben, das man

Weitere Kostenlose Bücher