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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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über den
Rücken. »Luis«, sagte ich, »haben Sie den Jeep zurückkommen sehen?«
    »Nein. Fünf Minuten später waren meine
Leute da.« Er schüttelte den Kopf, trank einen kräftigen Schluck Bier, und sein
Blick verdunkelte sich. »Sie kamen«, wiederholte er, »und dann habe ich sie
wieder verloren.«
    »Was ist passiert?«
    »Dieser verdammte Übergang von San
Onofre — kennen Sie die Grenzstation bei Oceanside?«
    Ich nickte. Dort werden viele Illegale
aufgehalten, die versuchen, auf der Interstate 5 nach Norden zu gelangen.
    »Wir lassen unsere Passagiere vor der
Grenzstation aussteigen und sagen ihnen, sie sollen den Freeway überqueren,
wenn er frei ist, und im Gebüsch um die Station herumschleichen. La migra kann niemals das ganze Areal dort kontrollieren. Die Leute zogen also los,
müde, ängstlich, unsicher. Meine Organisation und ich, wir wissen, daß sie so
oder so nach Norden wollen, also versuchen wir, ihnen zu helfen, damit sie
sicher weiterkommen. Aber einige von ihnen schaffen es nicht mal über den
Freeway.«
    Neben mir brummte John etwas.
    Abrego umklammerte seine Bierflasche,
senkte den Blick und schüttelte den Kopf. »Etwa zweihundertundfünfzig Menschen
wurden da schon getötet, überfahren, weil sie die Geschwindigkeit der Autos
nicht einschätzen konnten. Vor ein paar Jahren sind Schilder aufgestellt worden
— auch hier, am Übergang. ›Achtung‹ steht darauf, und dann sieht man noch das
Bild einer rennenden Familie.« Er sah mit trostlosem Blick auf. »Wissen Sie,
was das komische daran ist? Viele von unseren Leuten können nicht lesen. Sie
verstehen ›Achtung‹ nicht, weder auf englisch noch auf spanisch. Sie sehen die
Schilder und denken, das ist eine sichere Stelle zum Überqueren.« Er biß sich
auf die Unterlippe, hob die Flasche und nahm einen neuen Schluck. »Ich erkläre
das meinen Leuten immer ganz genau, daran hat es in dieser Nacht dann auch
nicht gelegen. Sie kamen aus einem kleinen Dorf. Sie hatten noch nie so
schnelle Autos gesehen. Sie... konnten... einfach die Geschwindigkeit nicht
einschätzen.«
    Ich berührte seine Hand. »Luis, es tut
mir leid.«
    »Ja, danke.« Er wischte sich die Nase
mit der Hand. »Also, dieser Bursche... Ana sagt, er ist Ihr Freund.«
    »Ja.«
    »Gut, wenn ich ihn auch nicht von der
Mesa habe zurückkommen sehen, glaube ich doch, daß ich Ihnen helfen kann.«
    »So?«
    »Ich kenne jemanden, der heißt Marty
Salazar. Er ist der letzte Dreck. Er ist so ein Dreckskerl, daß ich ihn am
liebsten umlegen möchte — einfach vom Erdboden wischen, verstehen Sie? Aber ich
habe ihn in der Hand, und deshalb wird er mit Ihnen reden.«
    »Und Sie glauben, er weiß etwas über
meinen Freund?«
    »Ja, ganz sicher.« Abrego nickte
grimmig. »Marty ist dem Jeep gefolgt.«
     
     
     
     
     

14
    Abrego entschuldigte sich und ging zum
Telefon. John und ich warteten in der Nische. Nach einer Weile sagte John:
»Interessanter Bursche.«
    Ich nickte.
    Nach einer Weile fügte er hinzu: »Und
was meinst du?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Du bist so schweigsam. Du machst dir
Sorgen, nicht?«
    »Hm.«
    »Zweifelst du an Abregos
Zuverlässigkeit?«
    »Nein, das nicht.«
    »Dann hast du also Bedenken wegen
dieses Salazar. Du bist...«
    »Laß es im Augenblick gut sein, ja?«
    Er runzelte die Stirn, gab aber nach.
    Ich war tatsächlich beunruhigt — so
sehr, daß ich es nicht in Worte fassen konnte. Irgend etwas war auf der Mesa
schiefgelaufen, das schien mir sicher. Und ich wurde das Gefühl nicht los, daß
schon wieder etwas schieflaufen würde. Obwohl ich Hy in diesem Augenblick so
nah war wie nie zuvor seit Beginn dieser ganzen Geschichte, war ich ihm doch
zugleich ferner denn je.
    Abrego kam an unseren Tisch zurück.
Salazar sei bereit, mit uns zu sprechen, sagte er, aber erst nach halb elf.
»Wir können uns hier um zehn treffen, dann bringe ich Sie zu ihm.«
    »Ich dachte, Sie erwarten einen
Auftrag«, sagte ich.
    »Ach den«, sagte er mit wegwerfender
Handbewegung, »den habe ich einem anderen Kollegen überlassen.«
    »Ich möchte Sie nicht davon abhalten,
daß Sie...«
    »Das tun Sie nicht. Nach den
Ereignissen von Sonntag abend wollte ich die Fahrt ohnehin eigentlich nicht
machen. Ich hätte es nur für Ana getan. Nachdem Sie ihr nun Geld gegeben haben,
ist es ja auch nicht mehr nötig.« Er schwieg unentschlossen. Dann setzte er
sich und sagte: »Ich muß Ihnen sagen, Marty Salazar ist nicht der Typ, dem man
allein gegenübertreten sollte. Aber in

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