Wölfe und Kojoten
soll. Man findet
distinguierte alte Hotels wie das renovierte U. S. Grant, elegante Boutiquen
und die teuren Geschäfte im Horton Plaza. Im Süden wandelt sich die Architektur
dieser Hauptader der Stadt und wird klobig und funktionell. Die großen Hotels
werden von billigen Pensionen abgelöst. Die Schaufenster der sehr viel
schlichteren Läden schützen massive Gitter.
Mit der Island Avenue ist schließlich
das unterste Niveau erreicht. Einst prächtige viktorianische Häuser sind in
möblierte Zimmer aufgeteilt und dem Verfall preisgegeben. In den Toreingängen
schlafen Obdachlose. Drogenabhängige und Dealer gehen auf den Gehsteigen offen
ihren Geschäften nach. Eines der Missionshäuser stellt sogar eine Art Parkplatz
für die Einkaufswagen mit den Habseligkeiten der Obdachlosen zur Verfügung. Auf
unbebauten Grundstücken türmen sich Müll und Glasscherben, und vor den Bars und
Schnapsläden lauern Taschendiebe auf Beutezug. Der Eindruck der Verkommenheit
wird noch verstärkt durch den Überfluß, der nur wenige Blocks entfernt
herrscht, in einer Welt, die für die Armen und Verzweifelten hier unendlich
fern ist.
Als Abrego seinen Dodge abstellte,
sagte John: »Mein Gott, ich hoffe, wir haben noch alle Räder am Wagen, wenn wir
zurückkommen.«
»Du kannst ja auch hierbleiben und
Wache halten.«
»Aber du wirst mich doch hier nicht
allein lassen!«
»Mein tapferer Beschützer.«
»Ich bin gerade zu dem Schluß gekommen,
daß du keinen Schutz brauchst.«
»Zur rechten Zeit.« Dann zog ich Pas
Waffe aus der Tasche, gab sie ihm und sagte: »Steck sie in den Karton mit dem
Recyclingpapier hinter dir und deck sie zu.«
Er bekam große Augen und starrte sie
an, als hätte ich ihm einen Skorpion in die Hand gedrückt. »Was machst du denn
mit...«
»Bitte, John, leg sie einfach an eine
sichere Stelle.«
»Es ist Pas, nicht?«
»Ja, ich habe sie mir ausgeliehen.«
»Wir können sie nicht hierlassen. Es
könnte ja jemand den Wagen aufbrechen und sie mitnehmen.«
»Es ist sicherer, sie hier zu lassen,
als sie mit zu Salazar hineinzunehmen. Wenn er so ein Dreckskerl ist, wie Luis
sagt, durchsucht er uns vielleicht, und wer weiß, was er dann täte.«
John schluckte heftig, nickte und tat,
was ich ihm gesagt hatte. Dann stiegen wir aus und gingen auf Abrego zu. Er
grinste aufmunternd und sagte: »Laßt euch nicht von der Umgebung täuschen.«
Luis führte uns zu einem dunklen
Durchgang zwischen einem aufgelassenen Supermarkt und einem Secondhandshop. Ein
Stahltor mit Maschendraht versperrte uns den Weg. Abrego drückte auf einen
Klingelknopf am Tor, und aus der Sprechanlage ertönte auf spanisch eine
männliche Stimme. Luis antwortete, und das Tor schwang auf.
Im Weitergehen stellte ich mich schon
auf die Gerüche ein, die üblicherweise an solchen Orten herrschen. Doch statt
dessen atmete ich einen süßen Duft ein, Jasmin. Als sich meine Augen an die
Dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich an den Mauern zu beiden Seiten Blumen
blühen. Wir gingen im Gänsemarsch die Häuser entlang bis zu einer bogenförmigen
schmiedeeisernen Gittertür. Durch die Ornamente sah ich einen erleuchteten
Patio mit Kübeln und Hängekörben voller Pflanzen.
Ich sah Abrego fragend an. Er grinste
wieder und sagte: »Salazar liebt das Understatement.« Wieder drückte er auf
einen Knopf, und irgendwo drinnen ertönte eine Glocke.
Auf den Terrakottafliesen wurden
schwere Schritte laut. Abrego legte horchend den Kopf zur Seite. »Das wird
Jaime sein, einer von Martys Leuten.«
»Seinen Leuten?« fragte ich.
»So nennt er sie. Für mich sind es
Gangster — wenn nicht Schlimmeres.« Vor uns tauchte drohend ein Riese auf und
musterte uns durch das Gitter. Er hatte eine seltsam buschige Frisur und
engstehende Augen. Breite Schultern zeichneten sich unter der dunklen
Anzugjacke ab. »Qué?« fragte er.
Luis sagte rasch auf spanisch etwas von
einer Verabredung. Der Mann schloß auf und ließ uns in den Patio eintreten. Er
deutete auf die Mitte, wo in einem Kreis von Topfpalmen ein paar weiße
Korbmöbel herumstanden, und ging wieder.
Wortlos führte Abrego uns zu den
Sesseln. Die beiden setzten sich. Ich blieb stehen und sah dem großen Mann
nach, den Luis Jaime genannt hatte. Vom Patio aus führten Glastüren ins Haus,
und als Jaime die eine öffnete, fiel mein Blick auf schwere dunkle Möbel und
einen Orientteppich.
»Seltsamer Laden«, meinte ich.
Luis zuckte mit den Schultern. »Wie
gesagt, Salazar möchte nicht, daß jeder
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