Wölfe und Kojoten
Armbewegung.
Inzwischen hatten die anderen Gäste ihr
Interesse verloren und ihre eigenen Gespräche wiederaufgenommen. Wir setzten
uns, und ich sagte: »Soll ich dich noch weiter beschützen, großer Bruder?«
»Scheiß drauf, kleine Schwester.«
Abrego kam mit drei Flaschen Miller’s
in unsere Nische. Er verteilte sie und setzte sich uns gegenüber. »He, Ana
sagte mir, Sie hätten ihr das Geld gegeben, das sie brauchte. Sie hätte Sie
nicht darum bitten sollen. Ich habe ihr gesagt, heute abend hätte ich es für
sie zusammen, wenn dieser... dieser Job, auf den ich warte, klargeht. Aber hat
sie etwa auf mich gehört? Nein, sie ist zu stolz, um von mir Geld zu nehmen.«
»Das hat mir nichts ausgemacht«, sagte
ich. »Sie hat mir geholfen, und ich war froh, dafür etwas für sie tun zu
können.«
»Ja, sie ist schon ein prima Mädchen,
diese Ana.« Er machte ein bedrücktes Gesicht und richtete den Blick auf den
Tisch vor sich. »Schlimme Sache für sie. Sie ist so nett und klug, geht sogar
im Herbst aufs College. Eine Art Verwandte von mir — alle aus Santa Rosalia
sind irgendwie verwandt miteinander. Ich würde den Schweinehund am liebsten
umbringen, der ihr das angetan hat, wissen Sie?«
»Jetzt wird es ihr wieder gutgehen.«
»Kann sein.« Er blickte unsicher auf.
»Aber ich bin nicht sicher. Ich glaube, irgend etwas ist nicht in Ordnung mit
ihr. Haben Sie gemerkt, wie krank sie aussieht?«
Ich nickte.
»Ich kenne jemanden in der Women’s
Place Clinic in Hillcrest«, sagte John. »Ich glaube, da berechnen sie weniger
als zweihundertfünfundneunzig für... für den Eingriff, und sie untersuchen sie
auch auf andere Dinge. Ich schreibe Ihnen den Namen und die Nummer meiner
Freundin dort auf. Sagen Sie Ana, sie soll sie anrufen. Gina wird sich darum
kümmern, daß sie gut versorgt wird.«
Abrego strahlte und zog ein
verschmiertes Stück Papier aus seiner Hemdtasche. John nahm es und schrieb. Als
er es zurückgab, drückte ich seinen Arm, aber er zuckte nur mit den Schultern
und sah verlegen weg.
»Sie wollen also etwas über den Kerl
hören«, sagte Abrego zu mir, »der auf dem Parkplatz am Holiday Market Ana
angesprochen hat.«
»Sie sagte mir, Sie hätten ihn am
selben Abend noch einmal gesehen.«
Er nickte. »Unten in der Nähe der
Grenze an der Monument Road. Ich war... Wissen Sie, was ich da mache?«
»Sie helfen Leuten, dorthin zu kommen,
wohin sie wollen.«
»Stimmt. Sonntag abend sollte ich
jemanden in Empfang nehmen. Irgendwann nach elf. Ich sitze dann immer in meinem
Wagen gegenüber der alten Molkerei — manchmal fast die ganze Nacht —, warte und
hoffe, daß sie gut durch den Cañon kommen. Jedenfalls fiel mir dieser Kerl auf,
weil er ein Anglo war, und von denen sieht man dort nachts nicht allzu viele,
es sei denn, sie gehören zu la migra .«
»Was machte er?«
»Er saß nur am Rand der Straße hinauf
zur Mesa auf einem Haufen Schottersteine.«
»Sind Sie sicher, daß es dieser Mann
war?« Ich zeigte ihm Hys Foto.
»Ja, das ist er, derselbe, der Ana
belästigt hatte. Ich habe ihn mir sehr genau angeschaut. Er saß nur so auf den
Steinen. Er hatte eine brennende Zigarette in der Hand, rauchte aber gar nicht.
Er streifte nur die Asche ab, und wenn die Zigarette heruntergebrannt war,
zündete er sich eine neue an. Sollte vielleicht eine Art Zeichen sein.«
Das erklärte das Päckchen Zigaretten,
das Hy in der Bar des Bali Kai gekauft hatte. »Und dann?«
»Nach etwa einer Viertelstunde kam ein
Jeep angefahren. Der Mann stieg ein, und sie fuhren zur Mesa hinauf.«
»Zur Mesa — was ist dort oben?«
»Nicht viel. Dreck und Steine. Ein
abgebranntes Lehmziegelhaus. Man braucht einen Vierradantrieb, um hochzukommen.
Manchmal fahren Touristen hinauf wegen des schönen Ausblicks. Aber la migra warnt davor. Es ist dort sogar tagsüber gefährlich — zu nahe an den Cañons.«
Ich dachte nach. »Ein seltsamer Ort für
eine Verabredung — unter den Augen der Grenzpatrouillen.«
Abrego lächelte. »Nachts können sie ihn
ja nicht überwachen. Da sind sie zu beschäftigt mit der Jagd nach meinen Leuten
in den Cañons. Sie müssen bedenken, daß sie nur dreißig Mann pro Schicht sind,
und damit müssen sie das ganze County abdecken, auch die Grenzübergänge und die
Flughäfen. Aber eines kann ich Ihnen sagen, Ihr Freund und wer sonst noch in
dem Jeep war, riskierten ihr Leben, als sie da hinauffuhren. Nachts geht es da
schlimm zu. Wirklich schlimm.«
Seine Worte jagten mir Schauer
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