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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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die Uhr am
Armaturenbrett. »Es ist fünf. Was hältst du davon, wenn wir jetzt das
Tradewinds suchen?«
    Er grinste. »Kein Problem. Ich habe im
Telefonbuch nachgesehen. Es liegt drei Blocks nach Norden im Highland.«
    Es war ein Glück, daß er nachgesehen
hatte — wenn auch seine Voraussicht ihn unerträglich selbstgefällig machte —,
denn das Tradewinds war das am wenigsten einladende Gebäude in einer
gleichförmigen Reihe von Schnell-Restaurants und kleinen Läden. Ein
fensterloser Holzbau mit unbeleuchtetem Namensschild und einer windgepeitschten
Palme davor — das war alles. Ich parkte am Ende des Blocks und bat John zu
warten. Diesmal stieg er aus. »Kommt nicht in Frage!«
    Ich stieg auch aus und starrte ihn über
die Motorhaube an. »Ich dachte, wir hätten hier ein paar Regeln aufgestellt.«
    Er kreuzte die Arme vor der Brust und
starrte zurück. »Du betrittst keine Bar in National City ohne mich.«
    »Das ist lächerlich!«
    »Noch ein Wort, und ich breche eine
Szene vom Zaun.«
    Und schon ging es los. Zwei Matrosen
waren etwa zehn Meter von uns entfernt auf dem Gehsteig stehengeblieben, um
zuzusehen. »Warum, zum Teufel, mußt du so obstinat sein?«
    »Was ist denn das, das neue Wort der
Woche?«
    »Du Sohn einer...«
    »Kein Wort über Ma. He, sieh mal —
diese netten Matrosen eilen dir schon zu Hilfe.«
    Die beiden, so um die Zwanzig und
wahrscheinlich noch nicht im Kampf mit echten Wirtshausraufbolden wie meinem großen
Bruder erprobt, kamen auf uns zu. Ich packte John am Arm und sagte laut: »Komm,
Liebling.« Dann murmelte ich: »Das werde ich dir heimzahlen.«
    »Damit drohst du mir, seit Joey und ich
dich in den Teppich eingerollt haben.«
    »Fang mir nicht davon an.« Was mich
betraf, war das ein besonders dunkler Punkt in unserer gemeinsamen Geschichte.
    »Gut, dann komm mit hinein«, fügte ich
grimmig hinzu. »Schließlich möchte ich nicht, daß du diese armen Matrosen aus
dem Anzug haust. Aber du setzt dich an die Bar und läßt mich allein. Folge mir
nicht, halt den Mund und hilf mir auch nicht...«
    »Ja, ja.«
    Kaum waren wir eingetreten, wurde mir
auch schon klar, daß Tradewinds ein irreführender Name war. Hier regte sich
nicht das leiseste Lüftchen, und jeder Atemzug füllte meine Lunge mit
Zigarettenrauch. Für einen Moment konnte ich in der Dunkelheit nichts erkennen.
Dann sah ich die Neonreklame verschiedener Biermarken und die beleuchtete
Rückwand einer Bar, die mit jeder nur erdenklichen Sorte Schnaps bestückt war.
Während sich meine Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnten, so daß ich die
einzelnen Gäste unterscheiden konnte, drang spanisches Stimmengewirr an mein
Ohr. John erstarrte, legte mir die Hand auf die Schulter und versuchte, mich
wieder hinauszuziehen.
    »Verdammter Mist«, murmelte er.
    Die Gäste an der Bar und an den Tischen
waren größtenteils Männer und ausnahmslos Latinos. Als wir so dastanden, hörten
sie auf zu reden und sahen uns an. Ihre dunklen Augen blitzten, und ihre
Gesichter wurden hart und feindselig.
    Auch ich erstarrte, sagte aber zu John:
»Es ist okay«, und warf einen Blick durch den Raum. Am Ende der Bar saß ein
einzelner Mann. Er hatte einen lang herabhängenden Schnurrbart, schulterlanges
Haar und eine so dunkle Haut, daß man ihn für einen Schwarzen hätte halten
können. Luis Abrego. Ich ging auf ihn zu und spürte John dicht hinter mir.
»Bestell dir ein Bier«, sagte ich zu ihm.
    »Kommt nicht in Frage.«
    »Es ist mein Ernst!«
    »Ich habe vor, mich selbst zu schützen,
nicht dich. Einer Frau stechen sie wahrscheinlich kein Messer in den Rücken,
und außerdem kennst du dich aus in Selbstverteidigung.«
    »Also in Ordnung. Aber wenn du ein Wort
sagst...«
    »Wirfst du mich dem gemein aussehenden
Kerl da am Zigarettenautomaten zum Fraß vor.«
    »Genau.«
    Als wir näher kamen, drehte sich Luis
Abrego auf seinem Barhocker um, stand auf und begrüßte uns. Sanfte, glänzende
Augen taxierten uns. Dann verzog sich der Mund unter dem schlaffen Schnurrbart
zu einem Grinsen. »Sie sind die Lady, von der mir Ana am Telefon erzählt hat«,
sagte er zu mir. »Sie wollte sichergehen, daß ich auf Sie warte.«
    John machte ein Geräusch, als zischte
Luft aus einem Reifen.
    »Mr. Abrego«, sagte ich.
    »Luis.« Er streckte die Hand aus, und
ich ergriff sie.
    »Ich bin Sharon, und das ist mein...
Mitarbeiter John. Können wir uns unterhalten?«
    »Sicher. Ich besorge Ihnen ein Bier.
Setzen Sie sich in die Nische da.« Er machte eine

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