Wölfe und Kojoten
weit
malerischeren Anblick als die Häuserzeilen, die schon vom Plan weg verkauft
wurden, und die Wohnblöcke, die sich meilenweit gleichförmig in einem
Pseudo-»Mission«-Stil hinzogen.
Die Frau aus dem Swallow’s Nest hatte
mir den Weg genau beschrieben, und so kam ich bald zu einem Städtchen namens
Blossom Hill. Eigentlich war es gar keine Stadt, denn sie bestand nur aus
Postamt, Lebensmittelladen und Tankstelle. Ich stoppte an der Kreuzung und fuhr
um eine Promenadenmischung herum, die sich mitten in der Straßeneinmündung zur
Ruhe gelegt hatte. Die nächste Querstraße rechts führte tiefer in die
Obstplantagen hinein. Nach etwa einer Meile erkannte ich ein weißes
viktorianisches Haus auf einem Hügel.
Es war eines der großen Häuser im
viktorianischen Country-Stil, die kaum noch eine Ähnlichkeit mit den schmalen
Stadthäusern von San Francisco aufweisen, ein quadratisch solider zweistöckiger
Bau mit umlaufender Veranda. Die Auffahrt schlängelte sich zwischen den Bäumen
hindurch und durchschnitt anschließend eine weite Rasenfläche. An der Hauswand
blühten Rosen — alte Kletterrosen. Am Ende der Auffahrt stand ein brauner
Volvo, und in der altmodischen Schaukel auf der Veranda saß eine dunkelhaarige
Frau in geblümtem Kleid.
Ich fuhr weiter im Sichtschutz der
Bäume und des Gefälles. Die Frau in Ann Navarros Geschäft hatte gesagt, das
Anwesen von Brockowitz und ihrer Chefin sei etwa drei Hektar groß und bestehe
überwiegend aus Obstplantagen, um die sich ein Verwalter kümmere. Bei ihrem
einzigen Besuch hier habe sie sich über das Fehlen von Zäunen und anderen
Sicherheitsvorkehrungen gewundert, und das bei einem Mann mit Brockowitz’
Verfolgungswahn. Ich sah mich um und stieg aus. Die Bäume hingen voller
Orangen, und ihre Blätter streiften mich, als ich den Hügel hinaufstieg.
Der Orangenhain endete an der
Rasenfläche. Zwischen mir und dem Haus stand nun nur noch eine Laube, die von
knorrigen Kletterrosen überwuchert war. Vorsichtig näherte ich mich und sah
durch die Zweige. Die Frau saß noch immer untätig, mit den Händen im Schoß, in
ihrem Schaukelstuhl. Wartete sie auf jemanden? Ich hatte die Verkäuferin um
eine Beschreibung von Ann Navarro gebeten, und die paßte auf diese Frau: etwa
fünfunddreißig, klein und untersetzt, mit glattem schwarzem Haar und auffallend
mexikanischen Gesichtszügen. Vielleicht floß auch etwas indianisches Blut in
ihren Adern. Die Form ihrer Nase und ihres Kinns erinnerte mich an eine alte
Paipai-Frau, die den Campground an der Küste in Baja California betrieb, zu dem
unsere Eltern immer mit uns gefahren waren.
Die Frau — Ann Navarro — saß weiterhin
regungslos da. Unten auf der Straße näherte sich ein Wagen. Ihre Haltung
versteifte sich und entspannte sich wieder, als er vorüberfuhr. Ich ging in die
Hocke und hielt mich mit einer Hand an dem Rosenstock fest. Eine Viertelstunde
verging. Zwanzig Minuten. Hier am Rand des Orangenhains war es heiß, und mein
Hemd klebte mir feucht am Rücken. Ich zog es vom Körper weg und hob mein Haar
aus dem Nacken. Für einen Augenblick war ich überrascht, daß es so kurz war.
Ein Motorgeräusch näherte sich. Diesmal
stand Ann Navarro auf, ging zum Rand der Veranda und lehnte sich über das
Geländer. Ein BMW kam die Auffahrt herauf — ein seltsam blaumetallicfarbener
BMW mit Autotelefonantenne am Heck. So einen Wagen hatte ich erst kürzlich
gesehen...
Ann Navarro ging die Verandastufen
hinunter auf den Wagen zu. Er hielt, und die Tür öffnete sich. Eine Frau stieg
aus. Eine dünne Frau mit kinnlangen blonden Locken in einem langen blauen
Sommerkleid, das ihre Schlankheit unterstrich.
Diane Mourning.
Die beiden begrüßten sich und gaben
einander die Hand, aber nicht wie Freundinnen, sondern irgendwie reserviert.
Ungefähr eine Minute lang unterhielten sie sich neben dem Wagen. Dann machte
Diane Mourning die hintere Wagentür auf, holte einen Koffer heraus und trug ihn
zum Volvo, dessen Kofferraumdeckel Ann Navarro inzwischen geöffnet hatte. Diane
Mourning legte das Gepäckstück hinein. Danach gingen sie ins Haus.
Ob beide zusammen wegfahren wollten?
Im Schutz der Bäume ging ich den Hügel
hinunter zu meinem Wagen zurück. Auf dem Weg hob ich eine herabgefallene Orange
auf — als Proviant für den Fall, daß sich die Überwachung länger hinzog. Unten
wendete ich und stellte den Wagen in Richtung zur Auffahrt. Dann wartete ich.
Eine Stunde. Anderthalb. Eine Stunde
und achtunddreißig
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