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Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Wenn die da vorne bloß mal ruhig sein könnten! Jonas blieb erneut stehen und horchte. Vergeblich. Es war nichts anzufangen mit den anderen. Sie trampelten durch den Wald, sahen nichts, hörten nichts, lärmten und verscheuchten damit das Wild. Die Wildtiere, die in den heimischen Wäldern und Feldern vorkamen, kannte Jonas alle. Sogar so ausgefallene wie das Mauswiesel oder den Siebenschläfer. Er wußte, wie sie lebten, was sie fraßen, und er erkannte ihre Spuren und Hinterlassenschaften. Das da zum Beispiel, was aussah wie ein Klumpen aus einem Staubsaugerbeutel, das war ein Bussardgewölle. Er fotografierte es für seine Sammlung. Etwas weiter vorn hatte sich ein Hase erleichtert, aber Bilder von Hasenkötteln hatte er schon genug. Doch dort, in diesem Schneerest, das könnte eine Fuchsspur sein. Jonas ging auf den Schneeflecken zu, der sich unterhalb des Trampelpfades am Fuß einer kahlen Eiche befand. Es war März, und diese Wochenend-Freizeit war die erste in dem Jahr. Jonas beugte sich über die Spur. Sie war noch nicht alt, vielleicht einen Tag, und gut erhalten, denn es hatte gestern nacht leichten Frost gegegeben. Er beugte sich weiter hinunter. Die Abdrücke sahen aus wie die eines großen Hundes, aber eine Hundespur hatte immer versetzte Abdrücke. Nur trabende Füchse schnürten so, daß die Pfoten auf einer Linie lagen. Doch die Trittsiegel waren viel zu groß für einen Fuchs. Für alle Fälle machte Jonas zwei Fotos von der Spur. Dann fiel ihm etwas ein. Das kleine Buch mit den Fährten, Tierlosungen und Vogelflugschemen steckte, wie immer, in der Innentasche seiner Jacke. Und wirklich: Es gab eine solche Spur in seinem Fährtenbuch.
    Jonas haßte es, wenn im Wald herumgebrüllt wurde, deshalb rannte er den anderen hinterher. Aber das war nicht der einzige Grund, der ihn rennen ließ, so schnell er konnte. Wo waren sie nur? Lief er eigentlich in die richtige Richtung? Er blieb stehen, keuchte. Ganz weit weg glaubte er ihre Stimmen zu hören. Er lief weiter, er wollte raus aus diesem Wald, nur raus. Am Waldrand holte er sie ein. Sie hatten mit Holzsammeln begonnen, und ausnahmsweise war Jonas froh, daß sie so lärmten. Atemlos stolperte er auf sie zu.
    »Jonas, du solltest doch bei der Gruppe bleiben, verdammt!«
    »Ihr ratet nie, was ich eben gefunden habe«, stieß Jonas hervor.
    »Yetischeiße?« fragte einer.
    »Eine Spur«, sagte Jonas. »Eine Spur, die …« Er unterbrach sich und verstummte.
    »Ja, was nun?« fragte Daniel.
    »Ach, nichts.«
    Robin starrte auf die leere Bildschirmseite und wartete auf das Aufzucken der ersten Worte. Heute morgen, in der Phase zwischen Schlaf und Erwachen, hatte er den Satz gefunden, den so wichtigen ersten Satz. Glasklar hatte er ihn formuliert, er hätte geschworen, ihn nie mehr zu vergessen, wie eine fette Schlagzeile hatte er vor seinem inneren Auge gestanden. Deshalb hatte er ihn auch nicht aufgeschrieben. Dann hatte sich Klara an seinen Körper gedrückt und versucht, seine Morgenerektion auszunutzen. Auch dabei hatten der Satz und die Idee dahinter noch deutlich vor ihm gestanden. Jetzt war alles weg. Seine Finger lagen auf der Tastatur wie Sprinter vor dem Start, doch die Worte, die allen anderen die Richtung hätten weisen sollen, waren unwiederbringlich verloren. Als hätte sich mit dem mühsam abgetrotzten Orgasmus auch sein Hirn entleert. So ging das nicht weiter. Klara mußte wieder in ihrer Wohnung schlafen, immer, ohne Ausnahme. Das hatte er ihr heute morgen auch gesagt, und prompt war sie eingeschnappt gewesen.
    »Man kann nicht so leben als ob man verheiratet wäre und nebenbei einen großen Roman schreiben«, hatte er ihr erklärt. Sein Körper wußte das und tat das einzig Richtige: Er bündelte die Kräfte. Von Impotenz konnte überhaupt keine Rede sein.
    Die Standuhr intonierte eine Variation des Big-Ben-Glockenspiels. Viertel vor zwei. Sein Blick glitt resigniert vom Bildschirm nach draußen. Die große Kastanie vor dem Erkerfenster trieb Knospen aus. Sie sahen klebrig aus und prall, als könnten sie jeden Moment mit einem Knall aufplatzen. Obszön, fand Robin. Er mochte den Frühling nicht, diese strotzende Fruchtbarkeit. Er war ein Herbsttyp. Sehnsüchtig erinnerte er sich an das magische Glitzern der Spinnweben in den kahlen Ackerfurchen, das Seidengefühl von Kastanien auf der Handfläche, den Geruch des Laubes. Er liebte das Absterbende, das Vergängliche, das Graue. Den November.
    Er schob die Tastatur von sich fort wie einen

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