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Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

Titel: Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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starken Charakter. Aber als wir über Gewalt gegen Frauen sprachen, habe ich diesen Blick in ihren Augen bemerkt. Nicht immer, aber häufig genug, um mich an die Frauen in dem Frauenhaus zu erinnern.«

    Sie lächelte zaghaft. »Ich habe das bestimmt überinterpretiert.«
    »Hat Hope Sie um Ihre Mitarbeit gebeten, weil Sie im Frauenhaus gearbeitet hatten?«
    Sie nickte. »Kennengelernt haben wir uns bei einem Treffen der Fakultät, einer dieser öden Veranstaltungen zu Beginn des akademischen Jahres,wo jeder so tut, als ob er Interesse daran hätte, mit den anderen zu reden. Gerry unterhielt sich mit einigen Männern über Sport, und Hope sprach mich an. Sie war alleine da.«
    »Ihr Mann war nicht mitgekommen?«
    »Nein. Sie sagte, dass er solche Partys nicht mochte. Ich war ganz neu hier, und sie kannte mich nicht. Ich wusste nicht, wer sie war, aber sie war mir aufgefallen. Wegen ihres Aussehens.Teures Designer-Kostüm, schöner Schmuck, tolles Make-up. So etwas sieht man nicht oft an der Uni.Wir kamen ins Gespräch, und ich habe ihr von dem Frauenhaus erzählt.«
    Sie beugte sich vor, so dass der Kopf der Puppe nach vorn knickte.
    »Das Komische dabei war, ich hatte jahrelang nicht darüber geredet. Noch nicht einmal mit meinem Mann.« Lächeln. »Und wie Sie bestimmt schon bemerkt haben, rede ich eigentlich gerne und viel. Aber da, auf dieser Party, sitze ich mit einer Frau, die mir praktisch völlig fremd ist, und rede plötzlich über Dinge, die ich vergessen hatte - schreckliche Dinge. Ich musste sogar in eine Ecke gehen, um mir die Tränen wegzuwischen. Im Nachhinein denke ich, dass Hope diese Erinnerungen aus mir herausgeholt hat.«
    »Wie?«
    »Indem sie auf die richtige Art zugehört hat. Bei euch Psychologen heißt das doch aktives Zuhören, nicht wahr?« Sie lächelte erneut. »Genau das, was Sie im Moment machen.
Im Frauenhaus habe ich das auch ein bisschen gelernt. Wahrscheinlich kann jeder die Grundregeln lernen, aber es gibt nur wenige Virtuosen auf dem Gebiet.«
    »So wie Hope.«
    Sie lachte. »Da, jetzt machen Sie es auch: Sie werfen mir den Ball zurück. Das funktioniert sogar dann, wenn man weiß, was abläuft, stimmt’s?«
    Ich lächelte, strich mir bedächtig übers Kinn und sagte mit gekünstelter Stimme: »Sie scheinen zu glauben, dass es funktioniert.«<
    Sie lachte erneut, stand auf und schloss die Tür. Sie hatte eine gute Figur und war größer, als ich gedacht hatte. Gut eins siebzig, und das meiste davon Beine.
    »Ja«, sagte sie, während sie wieder Platz nahm und die langen Beine übereinanderschlug. »Sie war eine begnadete Zuhörerin. Und sie kam einem dabei nahe. Ich meine nicht bloß emotional, sondern auch körperlich - ohne dabei aufdringlich zu wirken.Weil sie einem zugleich das Gefühl gab, der wichtigste Mensch auf der Welt zu sein.«
    »Charisma und Leidenschaft.«
    »Ja.Wie ein guterWanderprediger.«
    Die Beine lösten sich voneinander. »Das kommt Ihnen bestimmt eigenartig vor. Erst erzähle ich Ihnen, dass ich Hope nicht kannte, und dann rede ich, als ob ich sie doch gekannt hätte. Aber alles, was ich gesagt habe, waren bloß Eindrücke. Sie und ich haben uns nie wirklich angefreundet, obwohl ich zuerst dachte, sie wäre auf der Suche nach einer Freundin.«
    »Wieso haben Sie das gedacht?«
    »Am Tag nach der Fakultätsparty hat sie mich angerufen und gesagt, sie habe sich sehr gefreut, mich kennenzulernen, und sie würde gerne eine Tasse Kaffee mit mir trinken. Ich war hin- und hergerissen. Ich mochte sie, aber ich wollte auf keinen Fall wieder über das Frauenhaus reden. Trotzdem
habe ich mich mit ihr getroffen.« Die Puppe machte einen Hüpfer. »Ob Sie’s glauben oder nicht, ich habe wieder davon erzählt. Und zwar von den schlimmsten Fällen, die ich dort gesehen hatte: Frauen, die unvorstellbar brutal misshandelt worden waren. Da fiel mir zum ersten Mal dieser grimmige Blick bei ihr auf.«
    Sie betrachtete die Puppe und setzte sie wieder zurück ins Regal. »Das wird Ihnen wohl kaum helfen.«
    »Vielleicht doch.
    »Wie das?«
    »Indem es Licht auf Hopes Persönlichkeit wirft«, antwortete ich. »Ansonsten haben wir derzeit nicht viel, was uns weiterbringen könnte.«
    »Ihrer Meinung nach hat also ihre Persönlichkeit etwas mit ihrer Ermordung zu tun.«
    »Halten Sie das für ausgeschlossen?«
    »Ich weiß nicht. Als ich von dem Mord erfahren habe, dachte ich zuerst, ihre politische Überzeugung hätte irgendeinen Psychopathen in Wut versetzt.«
    »Einen

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