Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

Titel: Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
der Zwischenzeit konnte ich mir die anderen vornehmen. Patrick Huang hatte in dreißig Minuten frei, Deborah Brittain kurz danach. Huangs Seminarraum war gleich nebenan bei den Maschinenbauern. Also wieder zurück in den Innenhof des naturwissenschaftlichen Gebäudes. Als ich mich gerade umwenden wollte, sagte eine tiefe Stimme hinter mir: »Der Campus als Jagdrevier, Detective?«
    Casey Locking stand ein paar Stufen oberhalb von mir und blickte amüsiert drein. Sein langes Haar war frisch gewaschen, und er trug denselben langen Ledermantel, Jeans und Motorradstiefel. Schwarzes T-Shirt unter dem Mantel. Auch der Totenkopfring war noch da, obwohl er gesagt hatte, er wollte ihn loswerden.
    Das breite Grinsen des Schädels, der im Sonnenlicht glitzerte, wirkte beinahe lebendig.
    Er hielt eine Zigarette in der beringten Hand, in der anderen eine lederne Aktentasche mit seinen eingravierten Initialen auf dem Schloss. Die Finger, zwischen denen die Zigarette steckte, zuckten, und ein Rauchwölkchen stieg empor.
    »Ich bin kein Detective«, sagte ich.
    Das ließ ihn blinzeln, aber sonst blieb sein Gesicht unbewegt.
    Ich stieg die Stufen zu ihm hinauf und zeigte ihm meinen Beraterausweis. Während er ihn studierte, spitzte er die Lippen.
    Also hatte Seacrest ihm nichts davon erzählt. Hieß das,
sie hatten doch kein enges Verhältnis? Worin haben Sie Ihren Doktor gemacht?«
    »In Psychologie.«
    »Tatsächlich?« Er schnippte die Asche weg. »Für die Polizei?«
    »Manchmal bin ich als Berater für die Polizei tätig.«
    »Was genau machen Sie da?«
    »Das variiert von Fall zu Fall.«
    »Tatortanalyse?«
    »Alles Mögliche.«
    Meine ausweichende Art schien ihn nicht zu stören. »Interessant. Sind Sie dem Mord an Hope zugeteilt worden, weil sie Psychologin war oder weil der Fall als psychologisch komplex eingestuft wird?«
    »Beides.«
    »Polizeipsychologe.« Er nahm einen langen, tiefen Zug, behielt den Rauch lange in der Lunge. »Das sind berufliche Möglichkeiten, von denen man an der Uni nie etwas erfährt. Wie lange machen Sie das schon?«
    »Ein paar Jahre.«
    Er stieß weißen Qualm aus der Nase. »Hier geht es immer nur um die akademische Karriereleiter, obwohl es die schon längst nicht mehr gibt. Aber die akademische Welt war ja noch nie sonderlich realitätsnah. Denken Sie, der Mord an Hope wird je aufgeklärt?«
    »Ich weiß es nicht.Was meinen Sie?«
    »Sieht nicht gerade vielversprechend aus«, sagte er.
    »Leider, verdammt noch mal … ist der dicke Detective auf Zack?«
    »Ja.«
    Er paffte erneut und strich sich über die Oberlippe. »Polizeipsychologe. Ehrlich gesagt, das fasziniert mich. Da geht es dann wirklich um die wichtigen Fragen: Verbrechen, Perversion,
das Böse. Seit dem Mord habe ich viel über das Böse nachgedacht.«<
    »Und sind Sie zu irgendwelchen Erkenntnissen gelangt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Studenten dürfen keine Erkenntnisse haben.«
    »Haben Sie schon einen neuen Doktorvater gefunden?«
    »Noch nicht. Ich brauche jemanden, bei dem ich nicht ganz von vorne anfangen muss und der mich nicht mit Arbeit überhäuft. Hope war da großartig. Wenn man seine Sache gut machte, hat sie einen wie einen Erwachsenen behandelt.«
    Er trat die Zigarette aus. »Sie kannte den Unterschied zwischen Gut und Böse. Sie war ein feiner Mensch, und der, der sie getötet hat, sollte eines quälend langsamen, ungemein blutigen und unvorstellbar schmerzhaften Todes sterben.«
    Seine Lippen verzogen sich nach oben, aber diesmal konnte man das Ergebnis nicht als Lächeln bezeichnen. Er stellte seine Aktentasche ab und zog eine Zigarettenpackung aus der Innentasche seines Mantels.
    »Aber das wird wohl nicht passieren, stimmt’s? Weil es, selbst wenn er gefasst wird, irgendwelche Gesetzeslücken oder verfahrenstechnische Feinheiten geben wird. Vermutlich wird irgendein Experte aus unserem Fachbereich dem Schwein eine Psychose attestieren oder die Unfähigkeit, seine Impulse zu kontrollieren. Deshalb gefällt mir Ihr Aufgabenbereich. Dass man dabei auf der richtigen Seite steht. Mein Forschungsgebiet ist Selbstkontrolle, und vielleicht kann ich das ja einesTages in Bezug zu der wirklichenWelt da draußen bringen.«
    »Selbstkontrolle und Verbrechensaufklärung?«
    »Wieso nicht? Selbstkontrolle ist ein unerlässlicher Bestandteil der Zivilisation. Das entscheidende Element überhaupt. Neugeborene Babys sind niedlich und süß und amoralisch.
Und es ist ja wohl nicht schwer, ihnen beizubringen, unmoralisch zu

Weitere Kostenlose Bücher