Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11
wir können feststellen, wer sie durchgeführt hat.Vielleicht weiß auch ihr Freund Barnaby etwas darüber, also werden wir ihn auftreiben müssen. Ist sonst noch was passiert, während ich weg war?«
»Ich habe Reed Muscadine gesprochen. Er hat das Studium abgebrochen wie Kenny, aber aus einem anderen Grund. Er sollte in einer Fernsehserie mitspielen, aber dann ist er doch abgelehnt worden. Er leugnet,Tessa Bowlby vergewaltigt zu haben, und ist bei der Geschichte geblieben, die er vor dem Ausschuss erzählt hat.«
»Glaubwürdig?«
»Es sind jedenfalls keine Alarmglocken bei mir losgegangen, aber er ist ja schließlich Schauspieler. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Tessa kam mir jedenfalls extrem traumatisiert vor. Mich würde interessieren, was sie so quält. Vielleicht versuche ich noch mal, mit ihr zu reden.«
»Was für ein Typ ist er, körperlich meine ich?«
»Ein riesiges Muskelpaket, gut aussehend, körperbewusst. Seine Wohnung ist im Grunde ein Fitnessstudio.«
»Also ein Mann, der eine Frau überwältigen, festhalten und ins Herz stechen könnte.«
»Mühelos, mit zwei Fingern. Aber er kam mir während der Unterhaltung ziemlich ruhig vor, also ist er entweder unschuldig, oder er hat sein Handwerk vervollkommnet und sich vorbereitet. Seine Vermieterin mag ihn. Sie hat gesagt, mit ihm hätte es noch nie Schwierigkeiten gegeben. Er behauptet, HIV-negativ zu sein, und wenn er lügt, so ist ihm jedenfalls noch nichts Gegenteiliges anzumerken. Tessa sieht
dagegen völlig fertig aus. Aber wo wir doch jetzt von Mandy wissen, welcheVerbindung sollte es dann noch zu dem Disziplinarausschuss geben?«
»Gute Frage, aber ich will die Sache nun mal abschließen. Eine Studentin ist noch übrig, stimmt’s?«
»Ja, diese Deborah Brittain. Ich versuche morgen, mit ihr zu reden.«
»Danke. Ich weiß das wirklich zu schätzen, Alex.«
Er packte den Ordner zurück in seine Tasche. »Und auch vielen Dank für das Spekulieren. Ehrlich. Spekulationen sind mir immer noch lieber als gar nichts.«
Ich brachte ihn zur Tür. »Wohin geht’s jetzt?«
»Nach Hause, duschen, und dann werde ich mich ein bisschen mit meinen Gendarmenkollegen unterhalten.Vielleicht kann ich ja noch ein paar andere hübsche Damen auftreiben, die mit drei Messerstichen unter großen Bäumen umgebracht worden sind, und mich dann in das tröstliche Gefühl völliger Hilflosigkeit zurückziehen.«
Cruvics Lüge, Hope erst auf dem Fest des Frauengesundheitszentrums kennengelernt zu haben, ging mir nicht aus dem Kopf, und gegen sieben Uhr abends, während Ruth in der Werkstatt arbeitete, fuhr ich zu seiner Praxis.
Was erhoffte ich mir davon? Ihn zu beobachten, wie er in seinem Bentley davonfuhr? Irgendeine hübsche Frau auf dem Beifahrersitz?
Vergebens. Die fensterlose Fassade des rosafarbenen Gebäudes verriet nicht, ob noch jemand drin war.
Nicht gerade eine freundliche Architektur. Und wieder drängte sich mir die Frage auf: Warum hatte er seine Praxis hier, weit weg von den anderen Ärzten in Beverly Hills?
Diskretion war keine ausreichende Erklärung. Psychiatern und Psychologen gelang es, in ganz normalen Bürogebäuden
zu praktizieren und dennoch die notwendige Diskretion zu wahren.
Hatte er etwas zu verbergen?
In Beverly Hills verlaufen hinter den Häuserzeilen kleine Gassen parallel zu den Hauptstraßen - eine städtebauliche Maßnahme, die dem Zweck dient, Müllabfuhr und Zulieferverkehr möglichst unsichtbar zu machen. Ich wendete, fuhr bis zur nächsten Kreuzung, wo ich rechts abbog und dann in das asphaltierte Sträßchen hinter den Häusern fuhr. Mauern, Laderampen, Müllcontainer. Schließlich eine hohe rosafarbene Wand.
Drei Parkbuchten, alle frei. Der Hintereingang des Gebäudes bestand aus einer hölzernen Garagentür, schwarz und mit gekreuzten Balken. Ein großes Vorhängeschloss sicherte eine Kette. Dahinter hätte man eher eine Lagerhalle vermutet als den Personaleingang einer Arztpraxis.
Keine Autos mehr da, also hatte der Herr Doktor hier Feierabend gemacht.Vielleicht für seine nächtlichen Überstunden im Frauengesundheitszentrum?
Ich wendete erneut und fuhr in südliche Richtung, bis ich nach zirka zwanzig Minuten in Santa Monica ankam. Mittlerweile war es völlig dunkel geworden.
Im Frauengesundheitszentrum brannten einige Lichter, und auf dem Parkplatz stand etwa ein Dutzend Autos, darunter ein silbern schimmernder Bentley Turbo ganz in der Nähe vom Haupteingang des Zentrums.
Die Kette quer vor der
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