Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11
hergeholt.«
»Ich spekuliere nur so vor mich hin. Soll ich aufhören?«
»Nein, mach weiter.«
»Cruvic hat Geld«, sagte ich. »Fährt einen Bentley. Seine Klamotten waren auch nicht gerade von Woolworth. Das könnte doch zu einem Typen passen, der sich eine Edelprostituierte einfliegen lässt und ihr Ticket bar bezahlt.«
»Erst soll er ihr Arzt sein und jetzt ihr Freier?«
»Er könnte doch beides gewesen sein. Vielleicht hat er sie deshalb selbst sterilisiert, anstatt das von einem Arzt in Vegas machen zu lassen. Mensch, vielleicht war er sogar der Vater ihres Kindes - und wer könnte sich besser aus solchen Schwierigkeiten befreien als ein Gynäkologe? Wir haben ihn bei mindestens einer Lüge erwischt - er hätte Hope erst auf dem Fest kennengelernt.Warum wollte er uns etwas vormachen? Wahrscheinlich, weil deine Ahnung richtig war: Sie
hatten eine Affäre. Und ich kann das jetzt noch untermauern.«
Ich erzählte ihm, was Holly Bondurant auf dem Parkplatz beobachtet hatte, und von Marge Kowalskys heftigem Leugnen. »Und dann wäre da noch die Tatsache, dass er Hope direkt bezahlt hat. Da stimmt doch was nicht. Außerdem habe ich heute noch etwas erfahren, das mich vermuten lässt, unser Dr. Cruvic nimmt es mit den ethischen Grenzen seines Berufes nicht sonderlich genau.«
Ich wiederholte mein Gespräch mit Mary Farney. »Er hat ein geistig minderbemitteltes Mädchen operiert, das wahrscheinlich gar nicht in der Lage war, bewusst zuzustimmen. Vielleicht hat er Hope benutzt, um sich abzusichern. Vielleicht haben die beiden auch noch bei anderen dubiosen Sachen zusammengearbeitet.«
»Zum Beispiel?«
»Was weiß ich? Finanzielle Tricksereien. Oder vielleicht haben sie echte Schweinereien gemacht, wie zum Beispiel einer Patientin Eizellen zu entnehmen und an eine andere zu verkaufen.«
»Und welche Rolle spielt Mandy dabei?«
»Soll ich mal wild rumspekulieren? Vielleicht war sie Eispenderin - junge, gesunde Frau. Und sie hat etwas herausgefunden, was sie nicht herausfinden sollte. Oder sie hat versucht, Cruvic zu erpressen. Oder vielleicht ist Cruvic ganz einfach ein Psychopath, der die Frauen zuerst liebt und dann tötet. Du siehst, ich könnte noch stundenlang so weitermachen, aber im Grunde läuft alles nur auf eines hinaus. Ich habe das Gefühl, wir sollten Dr. Cruvic mal genauer unter die Lupe nehmen, auch wenn im Augenblick alles nach einem irren Serientäter aussieht.
Milo stand auf und ging hin und her. »Uns ist beiden aufgefallen, wie aufgedreht Cruvic war, ein richtiger Zappelphilipp.
Vielleicht nimmt er ja Koks, und dann hätten wir eine Verbindung zu Mandy. Andererseits hat die Autopsie bei Hope keinerlei Drogen ergeben, und es gab auch keinen Hinweis dafür, dass sie je welche genommen hat. Was mich wieder ganz an den Anfang bringt: Falls sie wirklich eine Affäre mit Cruvic hatte - oder mit Locking oder sonstwem -, Seacrest könnte dahintergekommen sein und beschlossen haben, sie hätte ihn lange genug gedemütigt.«
»Aber welche Verbindung sollte denn wohl Seacrest zu Mandy haben?«
Er tigerte weiter auf und ab. »Ein stiller Professor in mittleren Jahren könnte sich doch auch mal eine sexy Spielgefährtin leisten. Und ein stiller Professor in mittleren Jahren hätte allen Grund, diese Spielgefährtin bar zu bezahlen. Und wenn die Spielgefährtin mitbekäme, wie verletzlich der Professor ist, und auf die dumme Idee käme, ihn zu erpressen, könnte der Professor auf die Idee kommen, dem Problem ein Ende zu machen: Herz, Vagina, Rücken. Und wenn ihm das gelungen wäre, könnte er sich dieselbe Lösung für seine Frau einfallen lassen, die ihm dermaßen zu schaffen gemacht hat.«
»Sehr kreativ«, sagte ich.
»Du bist meinVorbild.«
Er blieb endlich stehen, trank sein Bier und sah zum Küchenfenster hinaus. Die Sonne war klein und blass und versilberte die Spitzen der Kiefern, die so seidig schimmerten wie MandyWrights Kleid.
»Schöne Fantastereien«, sagte er schließlich. »Aber ich wäre wirklich froh, wenn wir ein paar Fakten hätten.«
»Na, ich kann zumindest mal Cruvics Werdegang näher unter die Lupe nehmen«, schlug ich vor. »Vielleicht entdecke ich etwas, das nicht ganz astrein ist.«
»Mach das. Ich werde mich als Nächstes mit Kenny Storm unterhalten. Ich will alles, was den Disziplinarausschuss betrifft, endgültig abschließen. Außerdem werde ich in Vegas anfragen, ob Mandy krankenversichert war. Möglicherweise ist ihre Sterilisation irgendwo dokumentiert, und
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