Woelfin des Lichts
duftenden heißen Tee ein. Mit gerunzelter Stirn erinnerte sie sich an das bereits einige Tage zurückliegende Gespräch mit ihren neuen Nachbarn.
Rechts von ihr, ein Stück den Hang hinauf, wohnten Michael und Sophie. Die beiden waren in etwa so alt wie sie, standen schon am zweiten Tag nach ihrem Einzug an ihrer Gartenpforte, die windschief in den Angeln hing, und begrüßten sie mit einem duftenden Apfelstrudel, den sie gemeinsam auf klapprigen Stühlen inmitten des hohen und von Unkraut überwucherten Rasens verspeisten.
Da Sara von Natur aus neugierig war, hatte sie die Gelegenheit genutzt, um etwas über die Bewohner von Roseend zu erfahren. Natürlich hätte sie ihren neuen Chef fragen können. Immerhin hatte ihr dieser Roseend wärmstens empfohlen, doch wusste sie ihn noch nicht einzuschätzen und wollte nicht den Eindruck erwecken, eine allzu neugierige Person zu sein. Dieses zwanglose Treffen mit den beiden hatte ihr die Möglichkeit gegeben, einige Fragen zu stellen. Während sich Sara entspannt auf ihrem Stuhl zurückgelehnt hatte, wandte sie sich an Michael, der ihr merkwürdigerweise offener vorkam als Sophie.
„Wie lange woh nt ihr zwei bereits in Roseend?“
„Es müssten jetzt so zehn Jahre sein. Wir beide stammen aus einer Stadt nördlich von hier und kennen uns schon seit unserer Kindheit.“
Gespannt hatte Sara seinen Worten gelauscht.
„Damals lernten wir auch Jack kennen, na j a, eigentlich kannte Sophie ihn vor mir. Aber das ist lange her, jedenfalls beschlossen wir nach Roseend zu ziehen und heirateten kurz darauf.“
Michael warf seiner Frau einen liebevollen Blick zu. Für einen Moment meinte Sara einen resignierten Zug in Soph ies Gesicht zu erkennen. Als diese jedoch zurücklächelte, glaubte Sara sich getäuscht zu haben.
„Ich kann verstehen, dass ihr euch hier wohlfühlt, mir geht es ebenso. Zwar wohne ich erst seit kurzem in Roseend, doch schon jetzt fühle ich mich wie zu Hause. Es ist alles so ruhig und friedlich. Und obwohl man so abgelegen wohnt, erreicht man Bellwick innerhalb von zwanzig Minuten.“
Sophie strich sich ihr kinnlanges Haar zurück, was ihr einen Anflug von Härte verlieh. Sie erwiderte Saras fragenden Blick und er zählte: „Ich arbeite als Verkäuferin an der Tankstelle, vier Kilometer von hier. Michael ist Schriftsteller und zurzeit dabei, sein Buchprojekt zu beenden.“
Mit einem verschmitzten Lächeln wandte sich Sara erneut an Michael: „Jetzt ist mir auch klar, warum ich dich so selten zu Gesicht bekomme. Du vergräbst dich vermutlich den ganzen Tag hinter deinen Büchern.“
Ihr Nachbar grinste sie an und nickte zustimmend, sodass Sara erleichtert aufatmete. Kaum waren ihr die Worte entschlüpft, wurde ihr bewusst, dass Michael diese auch anders verstanden haben könnte. Doch ihr erster Eindruck von ihm bestätigte sich, er war durch und durch eine gutmütige und fröhliche Natur. In seiner Gesellschaft fühlte sie sich wohl, was sie von Sophie leider nicht behaupten konnte.
„Oh, ich schreibe nicht nur in einem muffigen Kämmerchen, wie es in vielen Filmen zu sehen ist, sondern wandere oftmals durch die Wiesen und genieße einfach die Natur um mich herum“, meinte Michael mit einem Augenzwinkern ergänzen zu müssen.
Sara nickte zustimmend. Auch sie liebte diesen Ort, der eine gewisse Wildheit ausstrahlte.
„Sagt mal, gehört das Cottage gegenüber niemandem? Es scheint doch noch gut in Schuss zu sein.“
Michael und Sophie tauschten vielsagende Blicke, die Sara keinesfalls verborgen blieben.
„Also... na ja. Da wohnt Jack.“
„Jack? Und wer ist dieser Jack und was macht er so?“
Statt einer Antwort begann Sophie sich mit einem imaginären Mückenstich auf ihrem Arm zu beschäftigen, Michael ordnete gedankenverloren seine Frisur, m it der gleichen Handbewegung, die Sara auch schon bei Sophie beobachtet hatte. Vermutlich eignet man sich in der Ehe unbewusst einige Macken seines Partners an , dachte sie.
Schließlich unterbrach Michael das Schweigen: „Jack ist halt Jack. Früher oder sp äter wird er dir garantiert über den Weg laufen... Du, könnte ich noch ein Stück Kuchen bekommen? Ich platze zwar gleich, aber der ist sowas von lecker!“
Sara beschlich das untrügliche Gefühl, dass ihr irgendetwas verheimlicht werden sollte. Was war mit diesem Jack? Hatten Michael und Sophie Ärger mit ihm?
Da sie ihre Nachbarn keinesfalls brüskieren wollte, schnitt sie das Thema nicht mehr an, sondern ein neues Stück Kuchen für
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