Woerter durchfluten die Zeit
Moment ergriff Professor Wyatt das Wort und das Gemurmel der Studenten verstummte. Lucy wagte einen vorsichtigen Blick hinter sich. Nathan de Tremaine lehnte am Fenster und lauschte den Worten des Professors. Dabei musterte er sie mit seinem schwarzen, durchdringenden Blick.
Zwei Stunden später saß Lucy in der U-Bahn und las die Nachricht, die Colin ihr geschickt hatte. »Ich koche, wenn du einkaufst. Jules und Marie kommen auch.«
Das war mal wieder typisch für ihn. Sie sollte die Arbeit machen und er das Vergnügen haben. Bei dem Gedanken an Colins leckere Nudeln lief ihr jedoch das Wasser im Munde zusammen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte.
Die Bücher würden wohl noch einen Tag warten müssen, verwarf sie ihren Plan.
Lucy blickte aus dem Fenster der U-Bahn. Man konnte nichts sehen, natürlich nicht. Nur die Mauern der unterirdischen Tunnel rasten an ihr vorbei. Erstaunlich schnell hatte sie sich an diese Art der Fortbewegung gewöhnt. Zu Fuß schienen in dieser Stadt nur die Touristen unterwegs zu sein. Nachdem sie ausgestiegen war, erledigte sie einige Einkäufe und eilte nach Hause.
Colin riss die Wohnungstür in dem Moment auf, in dem sie den Schlüssel ins Schloss schob.
»Endlich«, stöhnte er. »Ich hab’ Hunger wie ein Bär.«
Lucy sah ihn streng an. »Ist das mein Problem?«, fragte sie und drückte ihm die Einkaufstüte in die Hand, die er sofort öffnete und neugierig hineinlugte.
»Ich finde schon«, erwiderte er frech.
»Es ging nicht schneller«, lenkte Lucy ein. »Erst kam Professor Wyatt zu spät und dann hat er auch noch kräftig überzogen.«
»Immerhin bist du drin«, erwiderte Colin. »Da kannst du froh sein.« Er studierte Wirtschaft, aber wie jedem Studenten am King’s College war ihm der Ruf Professor Wyatts bekannt.
Hinter Lucy wurde ein Schlüssel ins Schloss gesteckt. Marie und Jules betraten kichernd den Flur, der für vier Menschen zu klein war.
Lucy zog ihre Augenbrauen hoch.
»Colin hat geschrieben, dass er heute kocht, das konnte ich mir nicht entgehen lassen. Chris ist wirklich in allem gut, nur leider kann er nicht kochen.«
»Na, zum Glück habe ich genug Spaghetti angeschleppt«, sagte Lucy sarkastisch und scheuchte Colin vor sich her in die Küche. »Ich wette, Chris taucht nachher auch noch auf.«
Colins Kochkünste zogen ihre Freunde an wie das Licht die Motten, dachte Lucy und wünschte, sich auch einfach in die Herzen der Menschen hineinbrutzeln zu können.
»Wie war das Seminar?«, fragte Jules, die von Colin den Auftrag bekommen hatte, Pilze zu schneiden.
»Es war übervoll. Ich weiß nicht, ob ich da noch mal hingehe«, erwiderte Lucy.
Sie nahm Teller und Besteck aus dem Schrank und begann, den Tisch zu decken.
»Ist sonst was Interessantes passiert?«, fragte Jules weiter.
»Eigentlich nicht«, antwortete Lucy. »Nur …« Sie machte eine Pause. »Ich habe dir doch gestern von Nathan de Tremaine erzählt.«
Marie, die mit einem Glas Wein am Küchenschrank lehnte, pfiff durch die Zähne.
Lucy warf ihr einen bösen Blick zu.
»Der hübsche Jüngling mit dem tollen Namen«, nickte Jules, ohne hochzusehen.
»Er war heute auch da«, erklärte Lucy. »Ich wusste zwar, dass er der neue Assistent von Professor Wyatt ist, aber ich habe nicht damit gerechnet, dass er in das Seminar kommt.«
»Macht er dich nervös?«, fragte Marie und grinste.
»Irgendwie schon«, bestätigte Lucy. »Er sieht mich so komisch an.«
»Verliebt?«, fragte Jules nach.
Lucy lachte. »Nein, so ganz bestimmt nicht. Eher wie ein Insekt, das er am liebsten aufspießen würde.«
Jules schüttelte den Kopf. »Ich schätze, da übertreibst du.«
Lucy war sich da nicht so sicher.
Colin, der sich am Gespräch der Mädchen bisher nicht beteiligt hatte, wandte sich um und griff nach der Schüssel mit den Pilzen.
»Pass bloß auf, Prinzessin«, flüsterte er Lucy viel zu laut ins Ohr. »Der Typ ist mir nicht geheuer.«
»Wieso?«, fragte Marie interessiert.
»Dem starren doch alle Mädels auf dem Campus hinterher«, antwortete Colin.
»Sagt Mädchenschwarm Nummer 1.« Jules lachte. »Angst um deinen Thron?«
Colin schnaubte empört und goss eine Dose Tomaten zu den angebratenen Pilzen. Der Duft, der durch die Küche strömte, verbreitete einen Hauch von Sommer.
Während Colin die Soße umrührte und würzte, erwiderte er grinsend: »Der kann mir doch nicht das Wasser reichen.« Die Mädchen prusteten gleichzeitig los und das
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