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Woerter durchfluten die Zeit

Woerter durchfluten die Zeit

Titel: Woerter durchfluten die Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marah Woolf
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notwendigen Formalitäten erfüllt.
     
    Als Lucy am Nachmittag in der Bibliothek ankam und die Tür öffnete, stand Nathan bei Marie am Schalter. Die beiden waren in ein Gespräch vertieft. Lucy trat an sie heran und räusperte sich.
    »Störe ich?«, fragte sie und hörte selbst, wie komisch das klang.
    »Nein, gar nicht«, erwiderte Marie. »Ich habe Mr. de Tremaine nur die Zeit vertrieben. Du bist ja leider etwas zu spät.«
    »Nathan bitte«, sagte er zu Marie und wandte sich Lucy zu. »Nennen Sie mich Nathan.«
    »Ok, Nathan. Nun ist Lucy ja da. Gehen Sie bitte schon in den Lesesaal. Ich bin sicher, Lucy wird das Buch, auf das Sie so neugierig sind, umgehend heraufbringen.«
    Lucy warf Marie einen giftigen Blick zu und drückte ihr ihre Jacke in die Hand.
    »Es dauert einen kleinen Moment«, widersprach sie und schenkte Nathan ein aufgesetztes Lächeln. Dann ging sie nicht übermäßig schnell zur Tür des Archivs.
    Obwohl sie sich bemühte, langsam zu sein, stand sie fünf Minuten später an Nathans Tisch und packte das Buch aus.
    Viel gab es nicht zu sagen. Sie leierte ihre Belehrung herunter und reichte ihm das Buch widerwillig. Dann zog sie sich zurück.
    Marie wartete im Flur auf sie. »Bist du sauer auf mich?« Ihre Mundwinkel zuckten bei der Frage.
    »Kein bisschen«, antwortete Lucy kurz angebunden. Eigentlich hatte sie genug Arbeit im Archiv, aber sie wollte sich nicht zu weit von dem Buch entfernen. Nathan de Tremaine war ihr nicht geheuer. Sie überlegte, ob er schon ein einziges Mal gelächelt hatte, seit sie ihn kannte. Es fiel ihr nicht ein.
    »Für einen Bücherwurm sieht er wirklich gut aus, findest du nicht?«, versuchte Marie sie aus der Reserve zu locken. Sie standen an der bleiverglasten Tür zum Lesesaal und lugten hinein. Von hier aus hatten sie einen ausgezeichneten Blick auf Nathan, der sich über das Buch beugte und darin blätterte.
    »Ja, schon. Trotzdem finde ich ihn unheimlich. Oder hast du schon mal gesehen, dass er lächelt?«, fragte sie ihre Freundin.
    »Mich hat er vorhin angelächelt«, versicherte ihr Marie.
    Nathan beugte sich zu seiner Tasche und kramte etwas daraus hervor.
    »Was tut er da?«, fragte Lucy alarmiert.
    Sie sah, wie er einen Block aufschlug und einen Bleistift in die Hand nahm.
    »Er zeichnet«, erklärte Marie das Offensichtliche.
    »Er zeichnet?«, verdutzt sah Lucy sie an.
    »Er kopiert die Einbände. Ist ja nicht verboten. Er hat es mir vorhin erzählt. Er kann das ziemlich gut. Ich habe zwar keine Ahnung, weshalb er das tut, aber sein Skizzenblock ist voll davon. Er hat ihn mir gezeigt. Wir hatten ja Zeit. Jedes Buch, das er irgendwo ausleiht, zeichnet er detailgetreu nach. Jedenfalls den Buchumschlag. Er hat bereits in verschiedenen Städten studiert und sein Skizzenblock ist äußerst umfangreich.«
    Lucy war verwirrt. »Weshalb tut er das?« »Er studiert nicht nur Literatur«, sagte Marie. »Er belegt noch Kurse in Kunstgeschichte. Vermutlich benutzt er die Skizzen dafür. Er ist einer von denen, die alles ganz genau nehmen. Also, wenn du mich fragst …« Sie machte eine Pause und wartete, dass Lucy sie ansah. »Er sieht zwar gut aus, aber mir wäre er zu vergeistigt.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich bitte dich. Ein Mann, der Bucheinbände abzeichnet und uralte Bücher liest – geht’s langweiliger?«
    Lucy zuckte mit den Schultern. Sie konnte sich Schlimmeres vorstellen.
    »Wie alt ist er eigentlich? Weißt du das?«, fragte sie weiter, doch Marie schien es nicht gehört zu haben.
    »Ich muss wieder arbeiten«, sagte sie, als von unten die Klingel ertönte und anzeigte, dass sie am Empfang gebraucht wurde. »Und du? Willst du hier festwachsen? Er klaut es schon nicht.«
    Lucy stand ihre Besorgnis offenbar ins Gesicht geschrieben. »Ich glaub’, ich geh noch mal rein und schaue nach, ob alles in Ordnung ist.«
    »Wenn du meinst.« Marie zuckte mit den Schultern. »Aber ich warne dich. Es wird ihm nicht gefallen.« Auf dem obersten Treppenabsatz drehte sie sich noch einmal um. »Ach so, er ist übrigens zweiundzwanzig.« Marie klimperte mit ihren Augen. »Also perfekt für dich.«
    »Sicher ist sicher«, antwortete Lucy, ohne auf die anzügliche Bemerkung einzugehen. Sie stieß die Tür zum Lesesaal auf. Dann schlängelte sie sich an den Regalen und Tischen vorbei, an denen noch andere Besucher saßen und in ihre Bücher vertieft waren. Leise trat sie hinter Nathan. Er war so in seine Arbeit versunken, dass er Lucy gar nicht bemerkte. Neugierig

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