Woerter durchfluten die Zeit
davon. Wie konnte Marie es wagen, so etwas zu ihm zu sagen. Was würde er von ihr denken? Sie würde ihm nie mehr unter die Augen treten können.
Das Telefon klingelte, kaum dass sie in ihrem Büro angekommen war.
»Er hofft, dass er es übermorgen schafft«, flötete Marie in den Hörer.
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Nathan legte auf. Es hatte begonnen, und das ohne sein Zutun. Offenbar würde die Aufgabe leichter sein als gedacht. Er hoffte, dass die Handwerker seines Großvaters den Einband von Alice übermorgen fertig hatten und er mit seiner Arbeit beginnen konnte. Ein nervöses Kribbeln durchfuhr seinen Körper, wie jedes Mal, wenn er mit seiner eigentlichen Aufgabe begann. Sie durfte ihn nicht aufhalten. Er musste einen Weg finden, um sie daran zu hindern. Wenn er es nicht tat, würde es sein Großvater tun. Nathan war in den letzten Tagen zu dem Schluss gekommen, dass das nichts Gutes für sie bedeuten würde. Er spürte, dass sein Großvater ihm etwas verschwieg.
Seine Nervosität verstärkte sich. Er griff nach seinem Mantel und verließ sein Zimmer. Ein Spaziergang würde ihm guttun.
Gedankenverloren lief Nathan über die Straße zum St. James Park, vorbei am Buckingham Palace, in Richtung Hyde Park. Der feine Nieselregen störte ihn nicht. Im Gegenteil. Er sorgte dafür, dass die Parks beinahe menschenleer waren. Lediglich ein paar Hundebesitzer verirrten sich bei diesem Wetter hierher.
Nathan zog sein Gesicht zwischen die Aufschläge seines Kragens. Als er aufsah, erblickte er sie. Lucy hatte unter dem Dach eines Imbisswagens, der am Eingang des Parks stand, Schutz gesucht. Er zögerte, ob er zu ihr gehen sollte. Noch hatte sie ihn nicht gesehen. Doch in diesem Moment blickte sie auf und bemerkte ihn. Es war zu spät, um ungesehen zu verschwinden. Langsam schlenderte er heran. Sie sah verfroren aus und er fragte sich, was sie bei dem Wetter hier draußen trieb.
»Ist es nicht etwas zu kalt?«, fragte er und betrachtete ihre rot gefrorenen Hände, die einen Kaffeebecher umklammerten. Ihn überkam das Verlangen, ihre Hände in seine zu nehmen und sie zu wärmen. Erbost über diesen Gedanken blitzte er sie wütend an. Lucy wich bei diesem Blick einen Schritt zurück. Nathan wandte sich ungehalten der Frau im Wagen zu und bestellte ebenfalls einen Kaffee. Währenddessen versuchte er, seiner Gefühle Herr zu werden. Das war kein vielversprechender Anfang.
Als er seinen Kaffee in der Hand hielt, wandte er sich Lucy wieder zu und lächelte nun.
»Mittagspause?«, fragte er etwas freundlicher.
Lucy nickte verunsichert.
»Eigentlich gehe ich immer zusammen mit Marie«, fühlte sie sich bemüßigt zu erklären. »Aber heute …« Sie stockte und wusste nicht weiter.
Nathan sah sie abwartend an. Er ahnte, weshalb die beiden heute nicht zusammen Pause machten. Maries anzüglicher Ton war ihm nicht entgangen.
»Ich habe vorhin mit ihr telefoniert«, half er ihr aus ihrer Verlegenheit.
Jetzt stieg Lucy leichte Röte ins Gesicht. Sie nickte.
»Ich war ein paar Tage in Cornwall«, erklärte er, »sonst hätte ich mich schon früher gemeldet.«
»Das Buch lag mir im Weg«, versuchte Lucy zu erklären. »Ich wollte wissen, ob ich es wegräumen kann. Hätte ja sein können, dass du es nicht mehr brauchst.«
Nathan nickte. »Ich muss einige Sachen darin nachschlagen. Zwei oder drei Tage benötige ich noch. Ich schreibe ein Referat über Lewis Caroll.«
Das erklärte sein Interesse wenigstens ansatzweise. Lucy war sich sicher, dass die meisten Studenten etwas aus dem Internet zusammengeschrieben hätten und sich nie die Mühe machen würden, das Buch auszuleihen.
»Und dafür kopierst du den Einband?«, fragte sie.
Nathan lächelte und schüttelte den Kopf.
«Das ist ein Hobby von mir. Hast du nichts, an dem dein Herz hängt?«
»Naja«, überlegte Lucy laut. »Bei mir waren es immer nur die Bücher. Da war nie Platz für etwas anderes.«
»Das dachte ich mir schon«, sagte Nathan langsam und löste seinen Blick von ihr. »Ich komme dann übermorgen Nachmittag«, fügte er unvermittelt hinzu und stellte seinen leeren Becher auf den Tresen. »Schönen Tag noch.« Mit diesen Worten drehte er sich um und eilte davon.
Lucy stieß hörbar den Atem aus. Etwas stimmte nicht mit dem Kerl. Sie kannte niemanden, dessen Stimmungen solchen Schwankungen unterworfen waren. In der einen Minute war er mehr als unhöflich und in der nächsten wickelte er sie mit seinem Charme ein. Jedenfalls war es nett von ihm, dass
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