Woerter durchfluten die Zeit
frischgebackenen Apfelkuchens strömte ihm auf dem Weg zur Küche, die sich in einem der Seitenflügel des weitläufigen Hauses befand, entgegen. Sofia und Harold saßen bereits an dem großen blankgescheuerten Tisch in der Mitte des Raumes und unterhielten sich. Der riesige Kamin knisterte und verbreitete eine wohlige Wärme. Als Nathan plötzlich im Raum stand, fuhren sie auseinander.
»Geheimnisse?«, fragte er lächelnd und sah mit Erstaunen, dass sich eine leichte Röte auf Sofias Wangen ausbreitete.
»Setz dich«, forderte sie ihn auf, um ihre Verlegenheit zu überspielen. Sie schenkte Nathan Tee in die tönerne blaue Tasse und rührte Zucker hinein. So machte sie es immer, obwohl er sie mehrfach darauf hingewiesen hatte, dass er alt genug war, um sich seinen Tee selbst zu süßen. Sie hatte immer nur gelacht und ihm das Haar verstrubbelt. Irgendwann hatte er es aufgegeben.
»Erzähl von dir, Nathan«, forderte Harold ihn auf. »Was gibt es Neues in London? Ein Mädchen vielleicht?«
Nathan winkte ab. »Ich bin viel zu beschäftigt, das wisst ihr doch.«
»Du solltest dir auch für etwas anderes Zeit nehmen, Nathan«, wandte Sofia ein. »Du bist jung. Geh aus. Amüsiere dich. Arbeit ist nicht alles.«
»Hat sich hier jeder gegen mich verschworen?«, lachte Nathan. »Großvater hat vorhin etwas Ähnliches gesagt. Ich soll mich mit einem Mädchen verabreden.« Nathan entging der wachsame Blick nicht, den Harold und Sofia miteinander tauschten. »Hat er ein spezielles Mädchen im Blick?«, fragte Sofia.
Nathan winkte ab. Die Richtung, die das Gespräch nahm, behagte ihm nicht.
»Wie geht es dem alten Herrn eigentlich wirklich?«, fragte er stattdessen. »Seine Gicht macht ihm sehr zu schaffen, oder? Er sieht krank aus.«
»Die Medikamente helfen nicht mehr so gut wie früher«, bestätigte Sofia. »Es gibt Tage, an denen er nicht einmal mithilfe des Stockes laufen kann, dann bleibt er meist im Bett. Seine Launen sind kaum zu ertragen. Nun darf er nicht mal mehr seinen geliebten Rotwein trinken, da das die Gicht fördert. Aber natürlich hält er sich nicht daran«, erklärte Sofia.
»War auch nicht zu erwarten, oder?«, antwortete Nathan. Batiste hatte schon immer selbst bestimmt, was gut für ihn war. Nathan erinnerte sich lebhaft an die Wutausbrüche seines Großvaters, wenn etwas nicht nach seinem Willen geschah. Sir Batiste de Tremaine regierte in seinem Haus wie ein Fürst. Es wunderte Nathan, dass seine Angestellten es vergleichsweise lange bei ihm aushielten. Er schrieb es der Loyalität seiner Familie gegenüber zu, und den hohen Gehältern, die sein Großvater zahlte.
Pünktlich zum Dinner fand Nathan sich im Speisezimmer ein. Große Kerzenhalter standen auf dem Tisch und unterstützten die winzigen Wandleuchten in ihrem Bemühen, die hereinsickernde Dunkelheit zu durchdringen. Draußen prasselte der Regen gegen die Fenster. Ein Geräusch, das Nathan seit Kindesbeinen vertraut war. Es regnete häufig in diesem Winkel von Cornwall. Nathan hatte oft am Fenster gestanden und den dicken Tropfen gelauscht, die vom Himmel rauschten. Sofia hatte ihm erzählt, dass er sie verstehen würde, wenn er genau hinhörte. Geklappt hatte das nie. Aber noch heute vermittelte ihm das unablässige Prasseln ein Gefühl von Heimat.
»Hast du dir überlegt, wie du vorgehen möchtest«, fragte sein Großvater, nachdem sie eine Weile schweigend gegessen hatten. Wie immer schmeckte es vorzüglich. Sofia war eine ausgezeichnete Köchin.
»Mir wird schon etwas einfallen«, entgegnete Nathan ausweichend.
»Du erinnerst dich, was ich dir über die Hüterinnen erzählt habe?«, fragte sein Großvater. »Vielleicht hätte ich dich besser darauf vorbereiten sollen«, fügte er mehr zu sich selbst hinzu. »Ich frage mich, wo sie sie in all den Jahren verborgen haben.«
Nathan wurde hellhörig. »Was meinst du damit?«
»Ich war sicher, dass diese Brut endgültig vernichtet ist.«
Er schwieg und Nathan musterte den angewiderten Zug in seinem Gesicht. »Sie haben uns überlistet. Ich habe keine Ahnung, wie ihnen das gelungen ist. Alles war genau geplant. Und doch …«
»Wovon redest du, Großvater?«, fragte er. »Wenn du möchtest, dass ich herausfinde, was sie weiß, dann musst du mir sagen, was damals passiert ist.«
Jetzt beugte Nathans Großvater sich vor. Seine Augen wirkten in dem eingefallenen Gesicht wie glühende Kohlen. »Du weißt alles, was du wissen musst. Deine Vorfahren starben, um das Vermächtnis zu
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