Woerter durchfluten die Zeit
aus der Welt schaffen. Wenn sie ihre Macht erst erkannt hat, wird sie dich daran hindern, jemals wieder deiner Aufgabe nachzukommen. Bete zu Gott, dass es dafür nicht zu spät ist.«
Nathan wich in seinem Sessel zurück und ließ den Zorn seines Großvaters über sich ergehen. Die Doggen waren aufgesprungen und bauten sich vor ihm auf. Ein Wort seines Großvaters und die Bestien würden ihn in Stücke reißen, da war er sicher.
»Ich werde tun, was du verlangst«, erklärte Nathan.
»Das erwarte ich auch«, erwiderte Batiste. »Du kannst jetzt hinaufgehen und dir überlegen, wie du vorgehen möchtest. Ich erwarte dich heute Abend zum Dinner.«
Damit war Nathan entlassen. Er stand auf und verließ den Raum. Ohne sich umzuschauen, lief er durch die langen düsteren Flure des Schlosses. Als er die Tür zu seinem Zimmer öffnete, erblickte er eine ältere Frau, die an seinem Bett die Decke richtete und das Kissen aufschüttelte. Durch das offene Fenster wehte der Duft von Mönchspfeffer herein, der im Herbst auf den riesigen Beeten des Anwesens wuchs. Flankiert wurde er von zahllosen Dahlien und Astern, die jeden Tag in Form von frischen Sträußen ihren Weg ins Haus fanden. Nathan bezweifelte allerdings, dass sein Großvater dafür einen Blick hatte.
Als sie das Knarren der Tür hörte, drehte die korpulente grauhaarige Frau sich um.
»Nathan, mein Junge«, begrüßte sie ihn. »War es sehr schlimm?« Aufmerksam musterte sie sein Gesicht. Nathan schüttelte den Kopf. »Nein, gar nicht, Sofia.«
Sie glaubte ihm nicht. Das erkannte er an dem Blick, den sie ihm zuwarf. Sie kam zu ihm und legte beide Hände auf seine Wangen. »Du warst viel zu lange nicht zu Hause«, warf sie ihm vor. Sie reichte ihm gerade bis zur Brust, aber als sie ihn umarmte, spürte er wieder das Gefühl von Geborgenheit, das ihn als Kind so oft getröstet hatte. Sofia war ihm Mutter, Großmutter und Tante gewesen. Sie war die einzige Frau, die sein Großvater in seiner Nähe duldete, und sie hatte ihr Bestes getan, um ihn vor seinen Zornausbrüchen zu schützen. Dafür würde er ihr ewig dankbar sein.
»Er meint es nicht so«, verteidigte Nathan seinen Großvater, und es erschien ihm wie ein Déjà-vu aus längst vergangenen Tagen. So oft schon hatten sie ähnliche Gespräche geführt. Zwar versuchte Sofia nie, die Autorität von Batiste de Tremaine zu untergraben, aber sie ermutigte Nathan, die Anweisungen seines Großvaters zu hinterfragen. Beiden war immer klar, dass diese Gespräche eine gefährliche Gratwanderung waren. Ein Wort von Nathan zu seinem Großvater und Sofia und ihr Ehemann Harold hätten das Haus auf der Stelle verlassen müssen. Aber Nathan wusste schon früh, dass sein Leben ohne Sofia deutlich härter sein würde.
»Ich weiß«, beschwichtigte sie ihn. »Aber du bist jetzt erwachsen. Du musst deinen eigenen Weg finden«, wandte sie ein.
»Mach dir nicht zu viele Sorgen um mich. Es ist alles in bester Ordnung.«
Sie nickte und er wusste, dass sie ihm nicht glaubte, egal was er vorbrachte.
»Mach dich frisch und komm in die Küche. Ich habe Kuchen gebacken.«
Nathan grinste sie an. »Apfel?«
»Was sonst? Ich schlage die Sahne auf und koche Tee. Wenn du runterkommst, ist alles fertig.« Dann verließ sie den Raum.
Nathan ließ sich auf das gemachte Bett fallen und schloss die Augen. Lucys Gesicht tauchte vor ihm auf. Ihre grauen Augen, ihr Mund, ihr weiches, lockiges Haar. Er riss die Augen wieder auf und wischte sich über sein Gesicht. Weshalb verfolgte ihn ihr Bild?
Hastig stand er auf und warf sein Sakko über einen Stuhl. Dann ging er in das angrenzende sorgfältig aufgeräumte Bad und wusch sich Gesicht und Hände. Seine schwarzen Augen, die denen seines Großvaters so ähnlich waren, starrten ihm aus dem Spiegel entgegen. Was hatte es mit Lucy auf sich? Die Angst in der Stimme seines Großvaters war überdeutlich gewesen. Eine Gefühlsregung, die er dem alten Mann nie zugetraut hätte. War Lucy eine Bedrohung für ihn? Er kannte die Legende der Hüterinnen. Doch sein Großvater hatte ihm all die Jahre versichert, dass es keine mehr von ihnen gab. Der Bund hatte in einem Jahrhunderte währenden Kampf seine Gegnerinnen, die sich lächerlicherweise die Hüterinnen nannten, vernichtet. So war es ihm beigebracht worden, seit er denken konnte. Trotzdem war Lucy wie aus dem Nichts aufgetaucht und das Mal kennzeichnete sie eindeutig als eine von ihnen. Nathan wandte sich ab, um Sofia zu folgen.
Der Duft des
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