Woerter durchfluten die Zeit
Wirklichkeit war.
Einer der letzten Vollkommenen, ein Perfectus.
Gemächlich schritt er durch die Regalreihen, die mit Hunderten Büchern gefüllt waren. Am Kopf jeden Regals war ein goldenes Schild mit dem Namen des Vollkommenen angebracht, der diese Bücher gerettet hatte. Jede Generation hatte einen würdigen Nachfolger hervorgebracht, der den Schatz erweiterte und schwor, ihn vor der Welt zu schützen. In dem Regal, das seinen Namen trug, standen mit Abstand die meisten Bücher. Er hatte keine Mühe gescheut. Nathan würde ihn übertreffen. Doch die Aufgabe, die vor ihnen lag, war unendlich. Niemals würde es ihnen gelingen, alle Worte zu retten. Doch die wichtigsten, die bedeutendsten, waren bereits hier versammelt. Sie würden sie bewahren, bis die Menschen bereit waren, diese Worte wieder zu würdigen.
Er trat zu einem Pult, auf dem ihre neueste Errungenschaft lag und darauf wartete, gefüllt zu werden. Vorsichtig schlug er den wunderschön verzierten Buchdeckel auf. Trotz der Eile war dem Maler ein wahres Meisterstück gelungen. Batiste blätterte eine Seite nach der anderen um. Ganz zart schimmerte schon die Schrift auf den Seiten. Nur noch wenige Tage, dann war dieses Buch gerettet. Nathan las die Bücher schneller als jeder andere vor ihm. Wenn er ein Buch rettete, nahm er ihnen ihre Seele gründlicher als jeder seiner Vorgänger. Wort für Wort übertrug er es in den neuen Einband, bis der alte nur noch eine leere Hülle war. Eine Hülle, die im Laufe der Zeit zu Staub zerfiel und vergessen wurde.
Was sie taten, war brutal und doch diente es einem höheren Ziel. Einem Ziel, das ein Nichteingeweihter niemals verstehen würde. Sie, die Perfecti, waren es, die die Bücher schützten. Sie verbargen sie vor denen, die das Wissen und die Weisheit darin vernichten würden, sobald sie die Chance dazu bekamen. Sie kämpften gegen Ignoranz und Machtgier gleichermaßen. Für dieses Ziel hatten ihre Vorfahren vor Jahrhunderten den Bund gegründet und diesen trotz Verfolgung und Folter nie verraten.
»Sirius, Orion«, rief Batiste seine treuen Begleiter zu sich. Die Hunde hoben den Kopf. »Der Bund ist in Gefahr.« Aufmerksam lauschten die Tiere den folgenden Befehlen. Dann ging Batiste zum Ende des Saals und schloss eine kleine, schmale Tür auf, die verborgen hinter einem Regal lag. Die kalte Luft des Meeres drang in den Raum. Ohne ein Geräusch jagten die Hunde aus der Tür und einen steilen Weg hinauf. Er führte bis an den Strand und war in weiser Voraussicht als Fluchtweg angelegt worden. Schwarzer Rauch wehte zur Tür herein, nachdem die Tiere verschwunden waren. Batiste lächelte und schloss die Tür. Bald würde dieses Problem gelöst sein. Schleppend verließ er den Raum. Die Fackeln hinter ihm erloschen wie von Zauberhand.
Er kehrte in sein Büro zurück und wählte Nathans Nummer. Nach dem zweiten Klingeln nahm dieser ab.
»Und? Was weiß sie?«
Nathan schwieg einen Moment.
»Ich weiß es nicht«, antwortete er dann zögernd.
»Was soll das heißen?«, brüllte Batiste in den Hörer. »Hast du nicht begriffen, worum es geht?«
»Ich bin noch nicht so weit. Bisher habe ich sie zweimal getroffen. Ich denke, sie vertraut mir. Wir treffen uns am Wochenende wieder, dann werde ich mehr wissen. Du kannst dich auf mich verlassen.«
»Das will ich hoffen«, brummte Batiste etwas versöhnlicher. »Denke daran. Sie ist die Einzige, die dir schaden kann. Ich werde herausfinden, woher sie kommt und ob noch jemand von dieser Brut existiert. Du kümmerst dich um sie. Ich gebe dir eine Woche, dann werde ich mich persönlich dieses Problems annehmen. Hast du verstanden?«
»Ja. Großvater.«
»Gut. Du bist mit Alice fertig«, stellte er dann fest.
»Ja. Ich bin heute fertig geworden. Bald wird es in unserer Obhut sein«, antwortete Nathan kurz angebunden.
Batiste hörte aufmerksam zu. Schwang da Unwillen in Nathans Worten mit?
»Was ist als Nächstes dran?«, fragte er versöhnlicher.
»Oscar Wilde. Das Bildnis des Dorian Gray .«
Batiste zog die Luft ein. »Haben sie es wieder gefunden?«
»Offensichtlich.«
»Wurde auch Zeit. Wie dieses Buch jahrelang verschollen sein konnte, war mir immer schleierhaft. Jetzt werden wir es endlich bekommen. Gib dir Mühe«, befahl er.
»Das tue ich immer, Großvater«, antwortete Nathan steif und diesmal war er es, der das Gespräch beendete.
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Die kleine Kirche lag verlassen im Licht der aufgehenden Sonne. Vikar McLean ging mit
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