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Woerter durchfluten die Zeit

Woerter durchfluten die Zeit

Titel: Woerter durchfluten die Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marah Woolf
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näher an sie heran.
    »Viele der alten Bücher werden, wie du weißt, zu ihrem Schutz in Kartons aufbewahrt. Das ist eine übliche Vorgehensweise. Ich habe nur durch Zufall Kisten gefunden, in denen nicht das drin war, was drin sein sollte.«
    Lucy beschloss, Nathan erst mal nichts über die skurrilen Umstände des Auffindens der Kisten zu berichten. »Ich frage mich jetzt, was dahintersteckt.« Es war heraus, wenn auch in Kurzfassung. Lucy atmete tief durch.
    »Was meinst du, mit: in denen nicht das drin war, was drin sein sollte ?«, hakte Nathan nach.
    »Na ja. In einer Kiste war noch ein Buch drin. Aber es war leer. Leere Seiten, verstehst du? Und in einer anderen Kiste war nur Staub. Die Bücher waren verschwunden, also jedenfalls ihr Inhalt. Weg.« Bei der Erinnerung wurde Lucy kalt. »Ich glaube, dass noch mehr Bücher verschwunden sind.«
    »Gibt es dafür nicht eine logische Erklärung? Hast du mit Miss Olive gesprochen?«
    Lucy schüttelte den Kopf.
    »Wer hat denn Zugang zu dem Archiv?«, fragte er weiter.
     «Also im Grunde kann jeder der Mitarbeiter da runter gehen. Nur das tut keiner, sie glauben, da spukt es.«
    Nathan grinste.
    »Könnte es sein, dass Miss Olive die Bücher verschwinden lässt?«, schlug er dann leise vor.
    Erschrocken sah Lucy ihn an. »Auf gar keinen Fall. Sie liebt die Bücher und was sollte sie auch damit tun?«»Keine Ahnung. Verkaufen vielleicht? Es gibt sicher Käufer, die für alte Originalausgaben viel Geld zahlen.«
    Unruhig rutschte Lucy auf ihrem Stuhl herum. Das Gespräch nahm eine Wendung, die ihr nicht gefiel. Sie mochte Miss Olive sehr. Sie musste Nathan die ganze Wahrheit erzählen.
    »Was sind das für Bücher, die verschwunden sind?«, fragte er jetzt.
    »Das weiß ich leider nicht genau. Nur bei einem bin ich sicher. Es ist ein Werk von Tennyson.«
    Bei der Erwähnung des Dichters verzog Nathan keine Miene.
    »Den anderen Titel konnte ich nicht identifizieren. Das Buch löste sich vor meinen Augen praktisch in Staub auf. Ich weiß nicht, was ich tun soll. »
    Nathan stand auf und half ihr in ihre Jacke. »Also ich tippe auf Miss Olive. Du solltest sie zur Rede stellen, wenn sie zurückkommt.«
    »Ja, vielleicht«, antwortete Lucy einsilbig.
    »Ist da noch was anderes, das du mir erzählen möchtest?«, fragte Nathan und sah sie aufmerksam an.
    Lucy schüttelte den Kopf. »Nein, sonst ist alles in Ordnung. Ich finde schon noch raus, was passiert ist.« Sie versuchte, zuversichtlich zu klingen. »Danke, dass du mir zugehört hast.«
    »Immer gern«, antwortete Nathan.
    Langsam schlenderten die beiden zur U-Bahn-Station. Lucy verspürte keine Lust, sich von ihm zu trennen.
    Unruhig knabberte sie an ihrer Unterlippe. Sollte sie ihm jetzt die Wahrheit sagen, ihm erzählen, dass die Bücher mit ihr sprachen?
    »Bleibt es bei unserer Verabredung am Wochenende?«, fragte er, als sie an den Stufen der U-Bahn standen.
    »Sicher«, antwortete sie.
    »Schön, ich freue mich. Ich habe noch einen Weg«, setzte er hinzu.
    Dann beugte er sich vor und gab ihr zum Abschied einen Kuss auf die Wange. Dann drehte er sich um und ging davon.
    Lucy sah ihm nach und ihr Herz weigerte sich, langsamer zu schlagen.
    Nathan sah sich nicht noch einmal um.
     

 
    Wer zu lesen versteht,
    besitzt den Schlüssel,
    zu großen Taten,
     zu unerträumten Möglichkeiten.
     
    Aldous Huxley
     
  9. Kapitel
     
    Das Telefon klingelte schrill durch die Stille des Hauses. Es war spät und normalerweise erwartete Madame Moulin um diese Zeit keine Anrufe mehr.
    Rasch eilte sie die Stufen zu ihrem Büro hinunter und schloss die Tür. Sie hoffte, dass keines der Kinder aufgewacht war.
    Am anderen Ende meldete sich Greta. Was, um Himmels willen, wollte die Haushälterin des Vikars um diese Zeit von ihr? Doch dann hörte sie Greta schluchzen, so sehr, dass sie kaum ein Wort hervorbrachte.
    »Ganz ruhig, Greta. Ich verstehe nichts, wenn Sie so weinen. Was ist los? Ist etwas passiert? Geht es dem Vikar gut?« Noch während sie diese Fragen formulierte, wurde ihr klar, dass etwas Schlimmes passiert sein musste.
    Greta atmete tief durch und putzte sich geräuschvoll die Nase. »Frank ist gerade gekommen«, erklärte sie.
    »Sie haben das Auto des Vikars gefunden. Er ist … er ist …« Sie begann erneut zu weinen. »Er ist tot«, brachte Greta dann heraus. Madame Moulin fühlte, dass ihr bei diesen Worten schwindelig wurde. Sie glaubte, sich verhört zu haben.
    »Tot?«, fragte sie nach. »Wie meinen Sie

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