Woerter durchfluten die Zeit
wischen. Dann schickt er mich schon wieder hinaus.«
Greta füllte Wasser in einen altmodischen Teekessel und schaltete das Gas des Herdes an. Dabei redete sie vor sich hin. Ihrer Stimme war deutlich ihre Nervosität anzuhören. »Er war so merkwürdig heute früh. Hätte ich bloß auf meine Schwester gehört. Greta, hat sie gesagt, heute wird etwas Schlimmes geschehen. Meine Schwester hat für so etwas einen siebten Sinn, kann ich Ihnen sagen. Sie weiß immer, wenn etwas Schreckliches passiert. Aber ich habe natürlich nicht auf sie gehört. Was soll ich auch tun, der Vikar braucht schließlich sein Frühstück und da kann ich nicht einfach im Bett bleiben. Oder? Was meinen Sie?« Greta stellte drei Teetassen, ein Milchkännchen und Zucker auf ein Tablett und trug es zum Tisch. »Frank mag den Tee des Vikars sehr«, erklärte sie und Madame Moulin registrierte erstaunt, dass am Hals der älteren Frau rote Flecken erschienen.
»Was meinen Sie mit: Er war sehr merkwürdig heute früh?«, hakte sie nach.
»Er wollte seine Eier nicht«, erklärte Greta in dem Moment, als der Wasserkessel zu einem schrillen Pfeifen ansetzte. Greta griff nach einem Topflappen und drehte gleichzeitig den Gashahn am Herd zu. Sie wartete einen Moment und goss das siedende Wasser in die Teekanne.
Als sie am Tisch Platz genommen hatte, nahm Madame Moulin das Gespräch wieder auf. »Was ist daran merkwürdig? Er wird keinen Hunger gehabt haben.«
Energisch schüttelte Greta den Kopf. »Nein, nein. Er isst seine Eier immer. In all den Jahren, die ich bei ihm bin, gab es keinen Tag, an dem er das Haus ohne Frühstück verlassen hat. Und außerdem hat er mir immer gesagt, wo er hinfuhr. Nur heute nicht. Ich weiß nicht, wo er ist.« Gretas Stimme klang verzweifelt.
»Immer?«, fragte Madame Moulin skeptisch. Es erschien ihr unwahrscheinlich, dass der Vikar sich jedes Mal bei seiner Haushälterin abmeldete.
»Immer«, bestätigte Greta mit einem kräftigen Nicken. Die grauen Locken, die das derbe Gesicht umkränzten, wippten zur Bestätigung heftig auf und ab.
Schweigend saßen sich die beiden Frauen gegenüber und hingen ihren Gedanken nach. Wenige Minuten später ertönte der Gong der Tür und Greta eilte in den Flur, um Frank, dem Polizisten des Örtchens, zu öffnen. Madame Moulin griff nach der Teekanne und goss sich ein. Ein Schwall heißer, nach herben Kräutern duftender Dampf stieg auf. Im selben Moment bemächtigte sich ihrer ein ungutes Gefühl. Sie tastete nach dem Brief in ihrer Jackentasche und versicherte sich, dass er da war.
Sie trank einen Schluck Tee und beschloss, sich Greta und dem Polizisten anzuschließen. Die beiden standen im Flur und Greta erzählte gerade noch einmal ihre Geschichte.
»Ich bin nach Hause gekommen und die Terrassentür zum Arbeitszimmer stand auf«, sagte sie gerade.
»Wo warst du denn so früh«, fragte Frank und sah von seinem Notizblock auf.
»Der Vikar bat mich, einige Briefe und Päckchen zur Post zu bringen", erklärte Greta. Sie sah Madame Moulin an.
»Er hat darauf bestanden, dass ich ein Päckchen, das an Sie adressiert war, auch bei der Post aufgebe. Natürlich habe ich angeboten, es persönlich vorbeizubringen. Aber davon wollte er nichts wissen. Er bestand darauf, dass ich es aufgebe und dabei ist doch die Post heutzutage so schrecklich teuer.« Sie schüttelte den Kopf über diese Verschwendung.
Frank sah Madame Moulin an. »Haben Sie eine Ahnung, was in dem Päckchen sein könnte?«
Sie schüttelte den Kopf. »Leider nein. Ich verstehe auch nicht, weshalb er mir das Päckchen nicht einfach gebracht hat.«
Greta und Frank sahen sie an. Eine stumme Anklage lag in diesem Blick.
Dann räusperte sich Frank. »Ich würde mir gern das Zimmer ansehen«, sagte er. »Ich schlage vor, dass Sie nach Hause gehen. Ich werde später vorbeikommen.«
Madame Moulin stellte ihre Teetasse auf eine Kommode im Flur. Es war nur zu deutlich, dass man sie höflich hinauskomplimentierte.
Gedankenverloren ging sie zurück zu ihrem Heim. Was hatte Ralph ihr geschickt? Es konnte ganz harmlos sein. Es musste nichts mit Lucy zu tun haben. Trotzdem blieb ein ungutes Gefühl zurück. Sie beschloss zu warten, bis Ralph sich bei ihr meldete. Erst dann wollte sie Lucy antworten. Bei ihrem jetzigen Kenntnisstand hätte sie nicht gewusst, was sie ihr schreiben sollte.
Ralphs Brief würde wohl nicht vor morgen kommen. Bis dahin hatte sie längst mit ihm gesprochen.
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Wieder war der Saal
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