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Woerter durchfluten die Zeit

Woerter durchfluten die Zeit

Titel: Woerter durchfluten die Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marah Woolf
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vorgelesen. Sie müssen etwas von ihm in Erinnerung behalten haben. Ich weiß nicht, mit wem ich sonst darüber reden soll. Ich hoffe, bald von Ihnen zu hören.
     
    Ihre Lucy
     
    PS: Liebe Grüße von Colin. Ich habe noch nicht mit ihm darüber gesprochen. Also bitte rufen Sie ihn nicht an und fragen, ob ich durchgedreht bin.J
     
    ***********
     
    Es regnete. Kein perfektes Wetter für eine Stadtbesichtigung dachte Lucy, als sie sich auf den Weg machte. Sie hatte Nathan gestern Abend angerufen und sich mit ihm am Big Ben verabredet.
    Er wartete bereits dort, als Lucy angehetzt kam, und zog sie unter seinen aufgespannten Schirm.
    »Puh, ich werde mir wohl angewöhnen, zu Fuß zu gehen«, stöhnte sie anstelle einer Begrüßung. »Noch eine Minute länger und ich wäre in der U-Bahn erstickt.«
    »Dann würdest du noch später kommen.« Nathan lächelte und rückte ihre bunte Mütze zurecht.
    Lucy sah ihn an und biss sich angesichts dieser zärtlichen Berührung, auch wenn sie nur ihrer Mütze galt, auf die Unterlippe. Verstohlen sah sie zu der Uhr, die Big Ben schmückte. Eine Viertelstunde Verspätung war für sie beinahe pünktlich.
    Nathan folgte ihrem Blick. »Eigentlich heißt nur eine der fünf Glocken Big Ben, wusstest du das?«, fragte Lucy und hakte sich bei ihm unter, während sie auf den Turm zugingen. Die Wärme, die Nathan ausstrahlte, machte das eklige Wetter mehr als erträglich.
    »Die Schwerste, glaube ich«, beantwortete Nathan die Frage.
    Lucy sah ihn an. »Als ich herkam, dachte ich, der Name des Turmes ist Big Ben.«
    »Ich schätze, das denken die meisten«, erwiderte Nathan. Lucy starrte den riesigen Turm an, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Sie war von seiner Schönheit immer wieder aufs Neue fasziniert.
    »Ganz schön beeindruckend, oder? Jetzt habe ich ihn schon so oft gesehen und trotzdem frage ich mich immer noch, wie man so etwas bauen konnte.«
    »Vielleicht hättest du Architektur studieren sollen«, antwortete Nathan verschmitzt, woraufhin Lucy den Kopf schüttelte.
    »Auf gar keinen Fall. Mit meinem Talent für Mathematik würde jedes Haus einstürzen, bevor jemand seinen Fuß hineinsetzt.«
    Eine Windböe streifte Lucy und erinnerte sie unsanft daran, dass es Zeit war, sich eine Winterjacke zuzulegen. Die Kälte ließ sie schaudern.
    Nathan grinste, legte einen Arm um sie und zog sie näher zu sich heran. »Du frierst«, erklärte er. »Wir sollten irgendwo reingehen, wo es wärmer ist.«
    Lucy schmiegte sich an ihn. Sie hätte nichts dagegen gehabt, so mit ihm durch den Londoner Regen zu laufen.
    »Westminster Abbey interessiert mich außerdem deutlich mehr«, erklärte er.
    Geduldig reihten sie sich in die Schlange der Touristen vor der Krönungskirche ein. Es dauerte nicht lange und sie setzte ihren Fuß auf den geweihten Boden.
    Wie immer wusste Lucy nicht, wo sie zuerst hinschauen sollte, auf die wunderschönen bleiverglasten Fenster, die riesigen Gewölbebögen, auf die Mosaike auf dem Fußboden, die Seitenschiffe oder die Wandverzierungen? Leider verirrte sich heute kein Sonnenstrahl durch die Fenster. Die Kathedrale wirkte düster und gespenstisch. Wenigstens waren sie nicht allein. Die vielen Touristen schoben sie die vorgegebene Route entlang.
    »Lass uns die Grabmäler anschauen«, murmelte Nathan und zog sie in einen Seitenflügel.
    »Meinst du, die liegen wirklich alle noch da drin?«, fragte Lucy ihn.
    Nathan zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Viel wird nicht übrig sein.«
    »Als ich klein war, wollte ich immer Prinzessin werden. Colin war mein Prinz.«
    Nathan runzelte bei der Erwähnung des Namens die Stirn. »Die anderen Jungs haben sich manchmal lustig über ihn gemacht, aber er ertrug meine Ideen mit großer Gelassenheit.«
    »Ihr steht euch sehr nah?«, fragte Nathan. »Ist er auch im Heim aufgewachsen?«
    »Himmel, nein. Er lebte im Dorf. Bei seinen Eltern. Allerdings kam er jede freie Minute zu uns. Er ist wie ein großer Bruder für mich.«
    »Weiß er das auch?«, fragte Nathan.
    »Wie meinst du das?«
    »So wie ich es sage. Er hat mich angeschaut, als wolle er mich direkt durch das Fenster aus eurer Wohnung befördern.«
    Lucy lachte. »Quatsch. Denk dir nichts dabei. Das würde er nie tun. Er ist nur gern der Hahn im Korb.«
    »Hoffentlich hast du recht.«
    »Hast du eigentlich Geschwister?«, fragte Lucy.
    Nathan schüttelte den Kopf.
    Lucy wartete eine Sekunde. »Hättest du gerne welche gehabt?«, versuchte sie ihn dann aus der Reserve zu

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