Woerter durchfluten die Zeit
Lucy und löste sich von ihm. Nathan sah die Enttäuschung deutlich in ihren Augen. Es versetzte ihm einen Stich. Sanft strich er über ihre Wange.
»Ich habe einem Kommilitonen versprochen, ihm bei einem Referat zu helfen.« Demonstrativ sah er auf die Uhr. »Ich soll um halb sechs bei ihm sein. Dafür muss ich mich beeilen. Aber wenn du mich brauchst, sage ich ihm ab«, lenkte er ein.
»Ist schon gut.« Lucy winkte ab. »Colin und Jules sind ja hier.«
Nathan war nicht sicher, ob er das gut fand. Bisher hatte Lucy mit ihren Freunden nicht über die merkwürdigen Dinge gesprochen, die ihr passierten. Wer wusste, wie lange das noch so blieb.
»Ich komme morgen wieder und wir reden in Ruhe über alles, ok?«, versprach er.
»Morgen bin ich nicht da«, erwiderte Lucy. »Ich treffe mich mit Madame Moulin.«
»Du fährst nach Hause?«, fragte Nathan alarmiert.
Lucy schüttelte den Kopf.
»Wohin dann?«
»Ich habe ihr versprochen, es niemandem zu sagen«, erklärte sie unbehaglich.
»Wie du meinst«, sagte Nathan verstimmt.
»Ich erzähle dir alles, wenn ich zurück bin«, versuchte Lucy ihn zu beschwichtigen.
Er nickte und hob seine Hand, um sie zum Abschied noch einmal zu berühren. Doch dann ließ er sie sinken und verließ die Küche. Das Klicken des Türschlosses verriet, dass er fort war.
Lucy ließ sich auf einen der Küchenstühle fallen und blinzelte die Tränen weg. Ohne Nathan fühlte sie sich einsamer als je zuvor.
Bücher sind die stillsten und
beständigsten Freunde.
Charles E. Eliot
12. Kapitel
Nathan lief die Treppe hinunter und eilte zur nächsten U-Bahn-Station. Erst wenn er zu Hause war, würde er seinen Großvater anrufen. Was sie zu besprechen hatten, war nicht für neugierige Ohren bestimmt.
Batiste nahm sofort beim ersten Klingeln ab. »Nathan, ich hoffe, du hast Neuigkeiten für mich.«
Nathan ignorierte den ungehaltenen Tonfall. Erst wollte er wissen, was sein Großvater in dieser Sache unternommen hatte.
»Hast du den Brief stehlen lassen?«, fragte er.
»Oh, wie ich sehe, hat die Kleine dich informiert. Du scheinst meinem Befehl gut Folge zu leisten. Ich hoffe, es fällt dir nicht allzu schwer. Den Fotos nach zu urteilen ist das Mädchen recht hübsch. Ganz die Mutter.« Er lachte böse.
»Das tut nichts zur Sache«, sagte Nathan steif. »Was steht in dem Brief?«
»Die ganze rührselige Geschichte natürlich.« Wieder ertönte das bösartige Lachen, untermalt von dem Knurren der beiden Hunde. Nathan sah Batiste vor sich, wie er in seinem Arbeitszimmer stand und sich in seinem Triumph sonnte.
»Sie entschuldigen sich bei ihrer Tochter. Sagen, sie hätten keine Wahl gehabt. Dass sie sie vor uns verstecken mussten. Hätte das kleine Biest den Brief in die Hände bekommen, dann hätte sie dir bei nächster Gelegenheit die Augen ausgekratzt.«
»Wie meinst du das?«
»Sie haben es selbstverständlich nicht versäumt, unsere Familie zu verunglimpfen. Behaupten, wir würden die Bücher stehlen. Diese Dummköpfe haben nichts verstanden. Das haben sie nie.« Jetzt tobte Batiste am anderen Ende.
Nathan durchflutete ein Gefühl der Erleichterung. Lucy würde nichts über seine Rolle in dem Spiel erfahren. Noch nicht.
»Was ist mit dem Vikar passiert?«, unterbrach er seinen Großvater.
Sofort verstummte das Gebrüll am anderen Ende. »Was meinst du?«
»Du weißt genau, wovon ich rede. Er wurde ermordet. Gehe ich recht in der Annahme, dass du dahintersteckst?«
»Papperlapapp, das war ein Unfall. Im Übrigen ist es besser, wenn du nicht mehr weißt, als du wissen musst. Du hast deine Aufgabe und ich die meine. Meine ist es, dich und den Bund zu schützen. Das weißt du.«
Batiste schwieg und Nathan wusste genau, welche Antwort er erwartete.
»Ja, Großvater. Natürlich weiß ich das.«
»Gut.« Batiste klang bestens gelaunt. »Das Mädchen wird nie erfahren, woher es kommt und über welche Fähigkeiten es verfügt, dafür wirst du sorgen. Sie muss schleunigst aus der Bibliothek verschwinden. Ich frage mich, wie viel diese Madame Moulin über die ganze Sache weiß. Der Brief war ungeöffnet, sie hat ihn nicht gelesen. Aber der Pfarrer könnte vor seinem Tod mit ihr gesprochen haben. Ich muss entscheiden, was mit ihr geschieht.«
»Was soll das heißen, Großvater? Noch ein Unfall?«, fragte Nathan und sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass er ahnte, worüber Batiste nachdachte.
»Unsere Aufgabe ist es, das Wissen zu schützen. Dafür
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