Wofuer die Worte fehlen
kommen. Er drückt sich an ihnen vorbei, wäre am liebsten unsichtbar.
»Hallo, Kristian!«
Sakura! Ausgerechnet Sakura! Sie steht im Kreise ihrer Freundinnen und winkt ihm zu. »Ich hab âne tolle Idee für deine Geschichte.« Sie lässt ihre Freundinnen stehen und kommt auf ihn zu. »Ich hab mir gedacht ⦠Sag mal, gehtâs dir gut? Du siehst furchtbar aus.«
Danke, denkt er. Das hab ich jetzt gebraucht! Laut sagt er nur: «Mein Magen ⦠hab wohl was Falsches gegessen.«
»Na dann, gute Besserung! Wir sehen uns morgen?«
Kristian nickt. Morgen ist der Zeichenkurs, an dem sie beide teilnehmen. Da hat er noch nie gefehlt. Beim Zeichnen hat er keine Bauchschmerzen.
Er läuft über den groÃen Hof, der sich langsam mit fröhlichen Schülern füllt. Auf dem FuÃballplatz ist noch niemand. Er setzt sich in ein Tor und wartet auf seine Freunde. Sein Bauch grummelt nur noch ganz leise. Auf dem FuÃballfeld ist Kristian vor Magenschmerzen sicher, so wie beim Zeichnen. Hier haben sie keinen Zutritt, jedenfalls bislang nicht.
Seine Freunde, die kurze Zeit später mit dem FuÃball angelaufen kommen, erwähnen den Vorfall in der Klasse mit keinem Wort. Kristians Bauchschmerzen sind ihnen seit Jahren wohlbekannt, sie gehören zu ihm dazu wie sein Talent, Tore zu schieÃen, und seine Bereitschaft, die vielen Geschenke, die sein Vater ihm macht, mit allen zu teilen.
Das neueste Spiel für die Playstation, das teure Handy, mit dem man Videoaufnahmen machen kann, tolle Markenklamotten, Kinokarten, Kristians Dad scheut keine Kosten, um seinen Sohn nach den aktuellsten Trends zu beschenken. Und das nicht etwa nur zu Geburtstagen, nein, einfach so, ohne erkennbaren Grund, nur um Kristian eine Freude zu machen.
Es gibt nicht wenige in Kristians Klasse, die ihn um so einen Dad beneiden. Und da er groÃzügig seine neuen Sachen ausleiht, ist es seinen Freunden egal, dass er wegen seiner Bauchschmerzen häufig in der Schule fehlt oder plötzlich den Unterricht verlässt, um aufs Klo zu gehen. Auch dass er mit seinen fast fünfzehn Jahren mit Abstand der Ãlteste von ihnen ist, weil er schon zweimal eine Klasse wiederholen musste, stört sie nicht. Kristian ist ein guter Kumpel.
Selbst die Mädchen, die sich über ihn lustig machen, mögen ihn eigentlich ganz gern. Kristian ist groà und schlank, hat blonde Haare, eine Stupsnase und im Gegensatz zu den meisten anderen Jungen in der Klasse behandelt er die Mädchenfreundlich, ein wenig schüchtern, was die aber besonders »süë finden.
Nur seine Cousine Eva, die in die gleiche Klasse geht, kann ihn nicht leiden, was sie zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit zeigt.
Am Ende der Pause kehrt Kristian zufrieden in die Klasse zurück. Seine Mannschaft hat haushoch gegen die Jungen aus der Parallelklasse gewonnen, was sie vor allem ihm zu verdanken haben. Keiner lief schneller, kickte besser. FuÃ, Kopf, FuÃ, die Gegner kamen kaum hinterher. Drei Tore hat er in zwanzig Minuten geschossen. Seine Freunde sind begeistert. »Krischi vor! Noch ein Tor!«, haben die Zuschauer gerufen.
Auch der Rest des Vormittags verläuft gut. Zwei Stunden Physik und dann Mathe, Kristians Lieblingsfach, auch wenn er nur selten über eine Vier hinauskommt. Immerhin hat er hier noch nie eine Fünf geschrieben. Und wer Kristians übrige Noten kennt, weiÃ, dass das eine groÃe Leistung ist. In Mathe regieren die Zahlen, klar und durchschaubar. Es besteht keine Gefahr durch Worte, die bei ihm Magenschmerzen auslösen.
»Kommst du heute zum FuÃballtraining?«, flüstert Juri, sein bester Freund, am strafenden Blick der Lehrerin vorbei.
Kristian schüttelt den Kopf. »Heute nicht. Meine Mom kommt zurück. Mein Dad und ich fahren sie abholen und danach gehen wir zu meiner Schwester zum Essen.«
»Schade! Am Samstag ist Punktspiel. Wenigstens da musst du kommen. Du hast schon beim letzten Mal gefehlt. Und da haben wir verloren.« In Juris Stimme schleicht sich ein ganz leiser scharfer Unterton. »Ein Stürmer kann nicht immer fehlen.«
Kristian nickt und schluckt Juris wütende Worte schweigend hinunter. Er weià ja, dass der Freund recht hat. Er hat seine Mannschaft in letzter Zeit häufig im Stich gelassen, weil er die Bauchschmerzen nicht immer so schnell unterdrücken kann wie heute Morgen in der Pause.
Auch jetzt fängt sein
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