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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
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danach kaum noch mit meiner Mom. Mit meinem Erbteil konnte ich ein Haus anzahlen, nicht weit von dem entfernt, in dem wir aufgewachsen waren. Ich wollte das Gefühl haben, in der Nähe meines Vaters zu sein. Er wäre bestimmt ein anderer Mensch geworden, hätte er einer jüngeren Generation angehört. Und ich wollte in der Nähe meiner Mutter sein, die kränkelte und niemand mehr hatte, der sich um sie kümmerte. Ich wollte ihr helfen, doch wir kamen einander nie mehr wirklich nah.
    Irgendwann dachte ich, ich hätte mich von allem erholt und langsam wieder meine fünf Sinne beisammen, als mich ein Brief der Krankenkasse erreichte, die meine Kosten für die Geschlechtsumwandlung nicht mehr übernehmen wollte, weil ich eigene Mittel besäße, mit denen ich sie finanzieren könne. Das stimmte natürlich nicht; ich hatte alles für das kleine Häuschen ausgegeben. Ich versuchte, das Haus zu verkaufen, doch inzwischen waren die Immobilienpreise im Keller, sodass sich kein Käufer finden ließ. Ich bat meine älteste Schwester um Hilfe, doch sie legte einfach auf. Als ich zu ihr ging, machte sie die Tür nicht auf, obwohl ihr Wagen in der Einfahrt stand und ich die Kinder hinten im Garten spielen hörte.
    Ich wusste nicht, wie einfach die Lösung meines Problems war, bis jemand sie mir aufzeigte. Man muss nur nach Hause gehen und die Tür schließen. Für manche Menschen ist das schwer – sie müssen alles planen und es schrittweise tun. Ich habe den schwersten Teil alleine bewältigt; ich brauchte nur einen kleinen Schubs, ein leises Flüstern, das mir bewusst machte, dass es am einfachsten war, nicht mehr zu existieren.
    Also ging ich nach Hause, schloss die Tür und wartete darauf, dass die schwarze Wolke die Sonne verhüllte.

 
    Annabel
    »Trink«, sagte er.
    Ich öffnete den Mund und versuchte die Tasse zu ergreifen – nein, das Glas –, doch er hielt es fest, drückte es an meine Unterlippe und meine Zähne.
    »Ich halte es für dich fest«, sagte er. »Trink.«
    Das Wasser war kalt – ich musste husten. Als der Husten vorbei war, öffnete ich die Augen und sah mich um, da hielt er wieder das Glas hoch, und diesmal trank ich zwei oder drei Schlucke daraus. Das kalte Wasser rann meine Kehle hinunter, es schmeckte schrecklich, mir wurde übel.
    »Annabel, weißt du, wer ich bin?«, fragte er.
    Ich starrte einen Augenblick in sein Gesicht, zu dem ein Name gehörte, an den ich mich aber nicht mehr erinnern konnte. Er war wie weggewischt.
    »Ich bin Sam. Sam Everett. Erinnerst du dich, wir haben uns ein paarmal getroffen.«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich.
    »Es wird alles wieder gut«, sagte er. Seine Stimme klang schrecklich falsch in meinen Ohren, lästig, misstönend, wie das Summen einer Fliege oder einer Wespe, die irgendwo im Zimmer umherflog. »Es wird alles wieder gut, das verspreche ich dir. Ich kümmere mich um dich.«
    »Geh weg«, sagte ich.
    »Kommt nicht infrage«, sagte er. Er klang traurig. »Ich gehe nirgendwohin.«
    Er hielt wieder das Glas an meine Lippen, doch ich drehte meinen Kopf weg. Ich durfte das nicht mehr tun. Das war nicht richtig. »Annabel, schlaf nicht wieder ein«, sagte er. »Bleib bei mir. Bleib wach.«
    Mir fielen die Augen zu. Ich war müde, außerdem musste ich bis sechs Uhr warten.

 
    Colin
    Um elf rufe ich Vaughn an und frage ihn, ob er Lust auf ein Pint hat. Ich hatte das Gefühl, ihn schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr getroffen zu haben – und tatsächlich habe ich ihn das letzte Mal vor einer Woche gesehen, als er aus dem Pub gestürmt war, um für Audrey einen Verlobungsring zu kaufen.
    »Colin«, sagt er fröhlich ins Telefon. »Was ist denn das für eine Nummer? Dein fröhliches kleines Gesicht erscheint gar nicht mehr auf dem Display.«
    Ich muss einen Augenblick nachdenken, dann wird mir mein Fehler bewusst. »Ach so, ich rufe dich gerade von meinem Diensthandy aus an. Ist das ein Problem? Schließlich bin es immer noch ich.«
    »Soll ich diesmal die Nummer in meinen Kontakten einspeichern?«, fragt er. »Wenn ich die Nummer nicht kenne, gehe ich nämlich nicht immer ans Telefon. Das habe ich dir aber schon mal gesagt, weißt du noch?«
    »Nicht nötig«, sage ich. »Nächste Woche ist es vermutlich sowieso wieder eine andere. Angeblich sollen wir neue Handys kriegen.«
    Das scheint ihn zu besänftigen. Ich hatte ihn schon einmal vom falschen Handy aus angerufen, worüber er sich wahnsinnig aufgeregt hatte.
    Wenn ich gedacht hatte, ein Pint und Sandwich

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