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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
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halb verbrannten Kohl vom Topfboden kratzen sollte. Als ich mich weigerte, ließ sie mich einfach eine Stunde davor sitzen. Dann kratzte sie mit ihren langen Fingernägeln einen Klumpen Kohl vom Topfboden und stopfte ihn mir in den Mund, während ich mich wand, schrie und nach Luft schnappte.
    »Du hasst mich, stimmt’s?«, flüsterte ich ihr zu.
    Ihre Augen funkelten mich an.
    Kurz darauf verließ ich sie, ging beim Büro der Heimleiterin vorbei und sorgte dafür, dass sie mich sah, damit sie mich die nächsten Wochen mit ihren Anrufen verschonte.
    Ich hatte bereits des Öfteren über eine gnädige Erlösung für meine arme Mutter nachgedacht. Ich konnte mir vorstellen, dass sie lieber tot wäre, als weiter in einem Körper zu leben, den sie nicht mehr unter Kontrolle hatte, vor allem, weil sie geistig noch voll zurechnungsfähig zu sein schien. Daran habe ich keinen Zweifel nach dem hasserfüllten Blick, den sie heute in ihren Augen hatte. Und obwohl es in meiner Macht steht, ihr bei der Beendigung ihrer armseligen Existenz behilflich zu sein – falls sie mich darum bitten würde –, genieße ich den Gedanken, dass ich ihr das verweigern kann. Nun hat sich das Kräfteverhältnis zu meinen Gunsten verändert, und ich habe beschlossen, sie ihrem Schicksal zu überlassen – gedemütigt, leidend und unfähig, sich zu bewegen.
    Das ist eine immense persönliche Genugtuung für mich.
    Morgen ist wieder ein Arbeitstag. Ich frage mich, wie es Vaughn geht. Ich glaube, ich könnte zum Mittagessen ein Pint und etwas hirnverbrannte Unterhaltung vertragen.

 
    Briarstone Chronicle
    Oktober
    Wieder ein einsamer Tod – eine Stadt steht unter Schock
    Die Polizei hat diese Woche erneut eine schaurige Entdeckung in Briarstone gemacht. Eine Meldung über üblen Gestank in der Umgebung führte die Beamten zu einem Haus in der Blackthorn Row in Swepham, wo ein Mann, vermutlich Edward Langton, 28, in seinem Schlafzimmer aufgefunden wurde. Mr. Langton war seit Monaten nicht mehr gesehen worden. Einer Quelle zufolge habe sich seine Leiche in fortgeschrittenem Verwesungszustand befunden.
    Bis Redaktionsschluss war noch kein Angehöriger ausfindig gemacht worden. Der einsame Tod von Mr. Langton ist der neueste Vorfall in einer Serie tragischer Leichenfunde in den letzten Monaten in Briarstone.
    Bisher ist nicht bekannt, ob die Polizei den Tod von Mr. Langton mit Dana Viliscevina und Eileen Forbes in Verbindung bringt, die ebenfalls vergangene Woche in ihren Wohnungen gefunden wurden. Die Ermittlungen dauern an.
    Liebe deinen Nächsten – alle Veranstaltungen in Ihrem Stadtbezirk finden Sie auf den Seiten 34 und 35.

 
    Eloise
    Schon als kleines Kind wusste ich, dass ich mich im falschen Körper befand, ich wusste es wahrscheinlich sogar noch viel früher als vieles andere. Ich spielte nur mit Mädchen, meinen beiden Schwestern und ihren Freundinnen, und fühlte mich bis zum Alter von acht oder neun Jahren nicht anders als sie. Ohne meinen Vater hätten wir vermutlich so weitergemacht, und mein Leben wäre ganz anders verlaufen. Doch mein Dad war ein gestandener Mann, ein ehemaliger Bergarbeiter, der unbedingt wollte, dass ich Rugby spielte oder zumindest Fußball; er wollte, dass ich wie er würde, wenn ich groß war. Er wollte jemanden, mit dem er am Sonntagmorgen in den Pub gehen konnte, während Mom uns zu Hause einen Braten zum Mittagessen machte und meine Schwestern sich um ihre Babys kümmerten.
    Ich liebte und hasste meinen Vater; als ich heranwuchs, war er mir gegenüber niemals gewalttätig, doch sein Verdruss war schlimm genug. Also lernte ich, wie ich mich zu verhalten hatte, lernte, mich mit ihm zu unterhalten. Ich lernte, geduldig zu sein.
    Nach dem Abitur bekam ich einen Platz an der Londoner Kunstakademie. Mein Vater wollte, dass ich Ingenieurwesen studierte, wenn ich schon meine Zeit verschwenden und mir keinen richtigen Job suchen wollte. Wir stritten, und ich dachte, er würde mich nicht gehen lassen, doch dann überredete meine Mutter ihn, und schließlich gab er nach, weil er sie liebte und sie sein Fels in der Brandung war.
    Ich machte mich also auf den Weg in die große Stadt. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich aus dem Gefängnis entlassen worden, in dem ich die meiste Zeit meines Lebens eingesessen hatte. Ich studierte Mode und Design, und immer, wenn ich weibliche Konturen zeichnete, sie in herrliche Stoffe hüllte und mit Accessoires versah, wurde mir bewusst, dass auch ich innerlich so war – und nicht

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