Wofür du stirbst
sie waren kurz davor gewesen, mich zu entlassen, doch dann verlegten sie mich von der Krankenstation in die psychiatrische Abteilung.
Colin
Sie wollen doch bestimmt wissen, wie alles begann, nicht wahr? Sie wollen erfahren, wie ich von einem todlangweiligen Abendkurs für Erwachsene zum Thema »Wie man Freunde findet« dazu kam, Leute dazu zu bringen, sich selbst zu zerstören.
Das kam so.
Am Anfang waren es drei: Eleanor, Justine und Rachelle.
Eleanor besuchte jeden Donnerstagabend einen Italienischkurs im Raum nebenan. Ich sah sie und begehrte sie sofort. Sie hatte dunkles, langes, dichtes Haar, das seidig glänzte. Ich kam früher zum Unterricht und hing in der Mensa herum in der Hoffnung, ihr dort irgendwann zu begegnen. Sie war immer alleine. Saß nie bei anderen Leuten, nicht einmal bei denen aus ihrem Kurs. Manchmal kam sie bereits eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn, setzte sich mit ihrem Lehrbuch an einen Tisch, schlug es auf oder sah sich einen Ausdruck mit Aufgaben durch. Ich hingegen setzte mich nach hinten und beobachtete, wie sie mit gekrümmten Schultern dasaß und die Beine unter dem Plastikstuhl überkreuzte.
Ich sah Eleanor jeden Donnerstag. Und immer, wenn ich sie sah, begehrte ich sie ein Stück weit mehr. Das Schwierigste war natürlich, Kontakt mit ihr herzustellen, den Mut zu haben, zu ihr zu gehen und sie anzusprechen. Ich wandte mich an Nigel, versuchte das Thema der Kaltakquise im Unterricht anzusprechen, wobei es in dem Kurs natürlich nicht um Sex, sondern um das Geschäftsleben ging. Aber die Kaltakquise schien mir ein Vorgehen, das mich vielleicht auch meinem Ziel näher brachte.
Er sagte, Menschen kauften immer bei anderen Menschen, und er riet mir, den ersten Kontakt persönlich, offen und freundlich zu gestalten. Denke immer daran, wie du mit einem Freund sprechen würdest, sagte Nigel. Denke an deine Artikulierung, deine Körperhaltung, die Art und Weise, wie du lächelst.
Das war natürlich leichter gesagt als getan.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, sagte Nigel immer. Feiglinge sind niemals Gewinner. Der Einzige, der dich aufhalten kann, bist du selbst.
Schließlich setzte ich mich an einem Donnerstag in der Mensa einfach vor sie hin. »Ich heiße Colin«, sagte ich und streckte ihr meine Hand entgegen.
Sie wirkte erstaunt, schüttelte sie aber trotzdem. »Eleanor«, sagte sie.
»Welchen Kurs besuchst du?«, fragte ich.
»Italienisch«, sagte sie. »Raum sechs.«
So aus der Nähe war sie sogar noch hübscher. Sie hatte dunkle Augen und einen klaren, leuchtenden Teint. Ich räusperte mich. »Und, taugt der was?«
»Er ist ganz okay.«
Richtig gut lief es bis dahin nicht. Sie hielt sich mit beiden Händen an der Kaffeetasse fest, als wäre ihr kalt. Ich ahmte ihre Position nach, auch wenn ich kein Getränk vor mir hatte. Ich suchte verzweifelt nach etwas, das ich sagen konnte, irgendwas Intelligentes, etwas, das sie fesseln könnte.
»Il Miglior Fabbro«, sagte ich.
»Wie bitte?«
»Eliot. Sein Gedicht, Das wüste Land. Er hat es Ezra Pound gewidmet: Il Miglior Fabbro . Vermutlich wollte er damit sagen, Pound verstünde sein Handwerk besser. Das ist, glaube ich, damit gemeint.«
»Oh, alles klar«, sagte sie. Und dann: »Wir sind noch bei ›Können Sie mir sagen, wo der Bahnhof ist?‹«
Ich lächelte sie an. »Nun, wir können ja später auf Eliot zurückkommen.«
Sie schien sich zu entspannen, soweit man das anhand ihrer Haltung beurteilen konnte. Dann schob sie eine Hand unter den Tisch, ich tat dasselbe.
»Wohnst du hier in der Nähe?«, fragte ich. Es klang lahm. Warum war das so verdammt schwierig?
»In der Stadt, ja.«, sagte sie.
»Sollen wir nach dem Kurs zusammen was trinken gehen?«
Die Frage, so sorgfältig vorbereitet und formuliert. Kein »ich habe überlegt, ob du gerne« oder »hättest du vielleicht Zeit …« – nur eine präzise, direkte, selbstbewusste Frage. Sie konnte darauf schlimmstenfalls mit einem Nein antworten.
Sie war verblüfft. Ich dachte schon, sie würde ablehnen, also versuchte ich es erneut. »Wir treffen uns draußen, um halb zehn.«
»Ja«, sagte sie. »Also, bis dann.«
In dem Moment wusste ich, dass es funktionieren würde. Man darf nicht zweifeln, wenn man durch NLP Menschen von etwas überzeugen möchte – auf jeden Fall muss man an das glauben, was man sagt, sonst verwässert man die Botschaft, und sie kommt eventuell nicht an. Ich wusste, dass ich noch viel vor mir hatte und meine Technik verfeinern
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